© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Ländersache: Brandenburg
Parité ist passé
Christian Vollradt

Alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Am vergangenen Freitag verkündeten die Richter des Verfassungsgerichts in Potsdam ihr Urteil in Sachen Paritätsgesetz und kippten die 2019 von der damaligen rot-roten Landesregierung beschlossenen Frauenquoten für Kandidatenlisten der Parteien als verfassungswidrig. 

Brandenburg hatte als erstes Bundesland ein solches Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes beschlossen. Später zog auch Thüringen nach und führte eine solche Quotenregelung ein, die aber bereits im Juli vom Thüringer Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig eingestuft und kassiert wurde. Hier wie dort hatte die AfD dagegen geklagt, in Potsdam faßten die Richter das Verfahren mit den Verfassungsbeschwerden von vier Parteimitgliedern der AfD sowie der Klage des Landesverbandes der NPD zusammen. Gesondert verhandelt werden noch weitere Verfahren, angestrengt unter anderem von den Jungen Liberalen.

Verletzt sah das Verfassungsgericht unter anderem die Organisations- und Programmfreiheit, die Wahlvorschlagsfreiheit und die Chancengleichheit der Parteien. Gesetzliche Regelungen, die eine jeweils hälftige Verteilung der Landtagssitze an Frauen und Männer anordnen oder durch Listenvorgaben fördern sollen, würden nach dem Urteil der Richter „eine Modifikation des Demokratieprinzips bedeuten“. Und das sei durch ein einfaches Gesetz nicht möglich, sondern bedürfe mindestens einer Verfassungsänderung. 

Außerdem, so monierten die Verfassungshüter, verwische die Pflicht zur Aufstellung abwechselnd besetzter Kandidatenlisten die Unterschiede in den Parteiprogrammen. Den Parteien stehe es durchaus frei, sich innerhalb ihrer Programmatik der in der Verfassung zwar festgelegten Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau mehr oder weniger zu verschreiben.

Dabei erteilten die Richter der – aus  dem kommunistischen Räte-System stammenden – Idee eine grundsätzliche Absage, wonach die Bevölkerung anhand eines gesellschaftlichen Proporzes vertreten sein müsse. Denn: Dem Demokratieprinzip der Verfassung des Landes Brandenburg liege der Grundsatz der Gesamtrepräsentation zugrunde. Nach diesem Prinzip seien die Abgeordneten nicht bloß einem Wahlkreis, einer Partei oder einer Bevölke­rungs­grup­pe, sondern dem ganzen Volk gegenüber verant­wort­lich. „Diesem Verständnis widerspricht die Idee, daß sich in der Zusam­men­setzung des Parlaments auch diejenige der (wahlberechtigten) Bevöl­ke­rung in ihren vielfältig einzuteilenden Gruppen, Schichten oder Klassen wider­spie­geln soll.“

Fast noch aufschlußreicher als die Begründung der Verfassungsrichter waren die Reaktionen der unterlegenen Parité-Befürworter. So schrieb die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe auf Twitter, das „Grundgesetz gilt auch in Brandenburg“. Und als zähle das Urteil der Judikative des Landes nichts, meinte die Nichtjuristin: Parität sei nicht aufzuhalten, sie werde geradezu in Artikel 3 der Verfassung gefordert. Lob gab es hingegen von der stellvertretenden AfD-Bundesvorsitzenden Beatrix von Storch. Parität bedeute „Geschlechterapartheid“. Die Trennung im Wahlrecht zwischen Männern, Frauen und noch dazu ‘Diversen’“ sei damit passé, „und das ist auch gut so“.