© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mit Geschick im Hintergrund
Paul Rosen

In der langen Liste der SPD-Fraktionsvorsitzenden ist der Name Thomas Oppermann einer der weniger prominenten. Mit den großen alten Männern auf diesem Posten wie Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer, Fritz Erler, Helmut Schmidt, Herbert Wehner oder auch Peter Struck konnte sich der jetzt im Alter von 66 Jahren verstorbene Oppermann nicht messen. Er blieb eher in der zweiten Reihe. 

Seine politische Karriere begann 1990, als der Jurist Oppermann in den niedersächsischen Landtag einzog. Es war die Zeit des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in der ersten Koalition mit den Grünen. Die Seilschaft, die hinter Schröder die Arbeit machte, bestand aus Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Oppermann, dem es – von Schröder zum Wissenschaftsminister gemacht – in diesem Amt gelang, über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu werden.

Als Schröders Stern mit der verlorenen Bundestagswahl 2005 sank, stiegen seine Epigonen auf: Steinmeier wurde Außen-, Gabriel Wirtschaftsminister und Oppermann Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. In diesem Amt fand er Erfüllung: Eine Fraktion ist wie ein Haufen Flöhe; sie zusammenzuhalten erfordert Kraft und Geschick. Beides hatte Oppermann. Es soll in dieser Zeit auch kaum einen wichtigen Posten in der Bundestagsverwaltung gegeben haben, der durch geschicktes Wirken im Hintergrund nicht an einen SPD-Parteigänger ging. Als sein Fraktionschef Steinmeier 2013 im dritten Kabinett Merkel wieder an die Spitze des Auswärtigen Amts zog, wurde Oppermann  Fraktionsvorsitzender. Die SPD befand sich bereits im Sinkflug. Auch Oppermann konnte die Flucht der Wähler nicht aufhalten, selbst wenn ihm das Bemühen nicht abzusprechen war.

In Oppermanns Fraktionsvorsitzendenzeit fällt eine häßliche Geschichte: Als der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy unter Kinderporno-Verdacht geriet, sprach der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit SPD-Chef Gabriel darüber. Oppermann machte die Sache öffentlich und behauptete, das sei mit Friedrichs Einverständnis geschehen, was dieser bis heute bestreitet. Friedrich mußte zurücktreten. Mehr als ein Geschmäckle hatte auch das während der Edathy-Affäre geführte Gespräch von Oppermann mit dem Bundeskriminalamtspräsidenten Ziercke. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wollte Oppermann deshalb anzeigen.

Seit 2017 war der vierfache Familienvater ausgerechnet an der Seite von Kubicki Bundestagsvizepräsident, wo er den SPD-Seilschaften in der Bundestagsverwaltung zu neuer Blüte verhalf. Nach der nächsten Wahl 2021 wollte er sich zur Ruhe setzen. Der Tod kam ihm zuvor.