© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Kabinenklatsch
Der Eishockey kämpft um die Existenz
Ronald Berthold

Der Mensch gewöhnt sich an alles. Und so haben wir längst verdrängt, daß in diesem Sommer die Fußball-EM hätte stattfinden sollen. Wir werden von vielem Abschied nehmen müssen, was uns einst Spaß gemacht hat. Beinahe in Vergessenheit geraten ist auch die zweitattraktivste Sportart in Deutschland. Seit 8. März hat kein Spiel in der DEL mehr stattgefunden. Viele Eishockey-Klubs stehen vor dem Aus.

Schon die vergangene (oder vielleicht sogar tatsächlich die letzte?) Saison mußte die Liga ohne Meister abbrechen. Die gewinnbringenden Playoffs fielen wegen des Corona-Lockdowns aus. Und nun wird der Start der neuen Spielzeit immer weiter nach hinten verschoben. Neuer, völlig ungewisser Termin ist die zweite Dezember-Hälfte. Doch viele Klubs werden wohl kaum so lange durchhalten.

Einige Vereine können sich die Teilnahme an dem Freundschaftsturnier nicht mehr leisten.

Schon jetzt sind sie so gut wie am Ende. Ein Freundschaftsturnier der DEL-Mannschaften vom 11. November bis 12. Dezember findet arg dezimiert statt. Nur acht Vereine haben sich angemeldet. Die übrigen sechs können eine Teilnahme finanziell nicht mehr stemmen – darunter der Traditionsklub Kölner Haie und der Tabellendritte Straubing. Die Domstädter bringen es mit dem Satz, daß „unser Geschäftsmodell im Grunde verboten ist“, auf den Punkt. Auch die Augsburger Panther sprechen Klartext: Es habe „keinen Sinn, den kompletten Kostenapparat hochzufahren und die prekäre wirtschaftliche Situation, in der wir uns unverändert befinden, weiter zu verschärfen“. Heißt: Der Klub besteht, wie viele Zombie-Unternehmen, nur noch auf dem Papier. Sport kann er nicht mehr treiben. 

Begeisterte Zuschauer in den Hallen erscheinen wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Die Haupteinnahmequelle ist futsch. Von Fernsehgeldern wie bei den Fußballklubs können die Eishockeyvereine nur träumen. Der Staat zerstört eine ganze Sportart und nimmt vielen Anhängern einen wichtigen Lebensinhalt. Doch er hilft nicht – trotz angeblichen Hilfspakets über 200 Millionen Euro. Letztlich gab der Bund nur zwölf Prozent frei. Auf (nimmer)Wiedersehen, deutsches Eishockey.