© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

„Islamismus ist der neue Faschismus“
Frankreich: Extremistische Muslime in der Welt machen gegen Paris mobil
Friedrich-Thorsten Müller

Frankreich kommt nicht zur Ruhe. Zwei Wochen nach dem tödlichen Messerangriff eines Islamisten auf einen Lehrer in der Nähe von Paris kam es in Nizza und Lyon zu weiteren Bluttaten, bei denen diesmal jeweils Christen das Ziel waren. 

So wurden in Nizza in einer Kirche zwei Frauen und der Küster, ebenfalls mit einer Klinge, bestialisch getötet. Drei weitere Personen trugen bei dem Angriff Verletzungen davon. Der Täter – ein 21jähriger Tunesier – wurde bei seiner Festnahme, noch in der Kirche, durch die Polizei schwer verletzt und ist bisher nicht vernehmungsfähig. Aufgrund seiner „Allahu Akbar“-Rufe besteht aber kein Zweifel an einem islamistischen Tathintergrund. 

Al-Qaida: Tötet alle Beleidiger des Propheten 

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin erklärte, daß der Tunesier „erkennbar zum Zwecke des Anschlags und nicht für einen Aufenthaltstitel“ ins Land gekommen sei. Der Täter soll erst wenige Tagen vor dem Terrorakt über Italien nach Frankreich eingereist sein. Kurzzeitig wurde auch in Frankreich die Meldung der britischen Zeitung The Guardian zitiert, daß der Tunesier mit dem deutschen Sea-Eye-Schiff „Allan Kurdi“ nach Europa gekommen sei. Inzwischen scheint aber festzustehen, daß er mit 20 anderen Migranten auf einem kleineren Boot einreiste. 

Bereits einen Tag später – am vergangenen Samstag – kam es in Lyon zum Angriff auf einen griechisch-orthodoxen Priester. Dieser wurde beim Verlassen seiner Kirche angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Ein zunächst festgenommener Tatverdächtiger wurde inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt. Es wird aber auch hier aufgrund der Täterbeschreibung weiter von einem islamistischen Hintergrund ausgegangen.

Indes steigt auch der internationale Druck auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Zwar schlägt das türkische Außenministerium nach den massiven Verbalattacken von Präsident Recep T. Erdogan gegen Frankreich nach den erneuten Anschlägen nun moderatere Töne an. 

Dafür brodelt es aber weltweit in vielen anderen muslimischen Ländern und Staaten mit muslimischen Minderheiten. Das iranische Parlament fordert von Frankreich, sich für die Mohammed-Karikaturen bei den fast zwei Milliarden Muslimen weltweit zu entschuldigen. In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka demonstrierten Zehntausende für einen Boykott Frankreichs. Auch vor der französischen Botschaft in Israel und in Rom fanden Demonstrationen gegen Macrons vehementes Eintreten für die Meinungsfreiheit in Religionsfragen statt. 

Die Unterstützung Frankreichs durch seine Partner fällt dagegen eher mager aus. So vermieden es sowohl die EU, mit Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, als auch die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Merkel zunächst, das Wort „Islamismus“ in den Mund zu nehmen.

Viel gefährlicher dürfte aber sein, daß weltweit muslimische Autoritäten die Bestrafung Frankreichs und aller den Islam beleidigenden Personen fordern. Zwar ruft die türkische Religionsbehörde Diyanet, wohl auch aus Rücksicht auf die ihr unterstellten türkischen Gemeinden in Europa, dazu auf, nur mit gewaltfreien Mitteln gegen die Mohammed-Karikaturen vorzugehen. Aber schon der internationale „Rat der muslimischen Weisen“ mit Sitz in Abou Dhabi zeigt sich unversöhnlich und kündigt die weltweite juristische Verfolgung von Charlie Hebdo „und jedem anderen, der den Islam beleidigt“, an.

 „Die Meinungsfreiheit dürfe nicht zur Beleidigung des Propheten mißbraucht werden“, fordert auch der Großmufti der renommierten sunnitischen al-Azhar-Moschee in Kairo. Die maghrebinische Regionalorganisation von al-Qaida ruft dagegen gleich „zur Tötung aller, die den Propheten beleidigen“, auf. 

Macron: „Frei sein und zusammenhalten“

So rief der in Frankreich lebende tunesische Imam Béchir Ben Hassen noch vor dem Anschlag in Nizza über Facebook dazu auf, diejenigen zu enthaupten, die den Propheten beleidigen. Und auch der Einfluß des Großmuftis von Tschetschenien, der Macron zum „Terroristen Nr. 1“ in der Welt und den enthaupteten Lehrer Paty zum „Verrückten“ erklärt hat, auf die tschetschenische Gemeinde in Frankreich darf nicht unterschätzt werden. Schließlich hat er den Mörder des Lehrers Samuel Paty damit in seiner Heimat offiziell zum Helden gemacht.

Folgerichtig sieht Frankreichs Innenminister Darmanin sein Land darum auch im „Krieg gegen die islamistische Ideologie“, wie er am vergangenen Freitag mitteilte. „Der Islamismus ist eine Form des Faschismus im 21. Jahrhundert. Frankreich werde mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen diese innere und äußere Bedrohung kämpfen.“ 

Als Antwort auf die Anschlagsserie wurde inzwischen die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Insbesondere der Schutz von Schulen und Kirchen wurde laut Armeeministerin Florence Parly verstärkt. Dazu werden nicht nur Soldaten der Anti-Terror-Einheit „Sentinelle“, sondern auch 7.000 zusätzliche Sicherheitskräfte, darunter 3.500 Reservisten der zum Militär gehörenden Gendarmerie, eingesetzt. Beim Ministerrat am Mittwoch sollen darüber hinaus die türkisch-nationalistischen „Grauen Wölfe“ verboten werden.

Indes haben Frankreichs Schulen mit ihren rund zwölf Millionen Schülern am Montag nach den zweiwöchigen Herbstferien mit einer landesweiten Schweigeminute des brutal ermordeten Lehrers Paty gedacht. In einem Grußwort, unter anderem über Facebook, schwor Präsident Emmanuel Macron Frankreichs Jugend ein, „in der Schule der Republik zu lernen, frei zu sein, sich zu entfalten und zusammenzuhalten“.

Nach den expliziten Anschlägen auf Christen in Nizza und Lyon suchte Macron inzwischen auch den Schulterschluß mit dem Papst und betonte danach die „Bedeutung des Dialogs der Religionen“ und die „Ablehnung des Terrorismus“. Eine Sichtweise, die der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, bei einem Gedenkgottesdienst in Reims teilte. 

An diesem nahm auch der Regionalvorsitzende des Französischen Islamrats, Anouar Alami, teil und erklärte, „an der Seite der Christen zu stehen“ und daß diese „auf [die friedlichen Muslime] zählen“ könnten. Doch nicht alle Kirchenoberen teilen den Glauben, „Terrorismus mit Gebeten, Kerzen und Solidaritätsbekundungen besiegen“ zu können. Der Erzbischof von Straßburg, Luc Ravel, mahnte, daß es sich „um einen Krieg [handle], den die Regierung führen müsse“.