© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

Verurteilt und dann doch freigelassen
Österreich: Nach dem islamistischen Terroranschlag liegt das Land in Schockstarre
Curd-Torsten Weick

Noch am vergangenen Donnerstag verurteilte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz via Twitter den islamistischen Terroranschlag in einer Kirche in Nizza sowie die anderen Angriffe. „In diesen schwierigen Stunden sind meine Gedanken bei den Familien und Freunden der Opfer“, erklärte der ÖVP-Chef – ohne im entferntesten daran zu denken, daß er nur fünf Tage später ähnliche Worte gegenüber seinen Landsleuten finden mußte. 

„Wir werden Täter, Hintermänner und deren Gleichgesinnte ausforschen, jagen und ihrer gerechten Strafe zuführen. Wir werden alle, die etwas mit dieser Schandtat zu tun haben, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen“, betonte Kurz nach dem islamistischen Terroranschlag, bei dem am Montag abend in der Wiener Innenstadt vier Menschen und der mutmaßliche Täter starben.

Insgesamt wurden 23 Opfer in mehreren Spitälern behandelt – vorwiegend mit Schuß-, aber auch mit Schnittverletzungen, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsverbunds gegenüber der Nachrichtenagentur apa. Insgesamt sieben Personen befanden sich in lebensbedrohlichem Zustand. 

FPÖ: „Davor haben wir immer gewarnt“

Dienstag früh präsentierte dann Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) den von der Polizei erschossenen Attentäter: Es handelt sich um Fejzulai Kujtim. Laut Nehammer hat der 20jährige nordmazedonische Wurzeln und war aufgrund der Mitgliedschft in einer „terroristischen Vereinigung“ vorbestraft. Der Anhänger der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ sei am 25. April 2019 zu 22 Monaten Haft verurteilt wurden, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Am 5. Dezember sei er dann aber „vorzeitig bedingt“ entlassen worden. Kujtim, der neben der österreichischen auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft besaß, galt plötzlich als junger Erwachsener und fiel damit unter die „Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes“.

Im Lauf des Dienstags fanden umfangreiche Großrazzien im Umfeld des Täters statt. Laut apa wurden 15 Hausdurchsuchungen vorgenommen und mehrere Personen festgenommen. 

Während Kurz anschließend beschwor, daß dies „keine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten“ sei, forderte die FPÖ-Spitze Norbert Hofer/Herbert Kickl eine „klare Strategie, wie der Ungeist, der hinter solchen Terroranschlägen steckt, in Österreich bekämpft und besiegt werden“ könne. „Denn die islamistische Gefahr ist die größte Gefahr für die Freiheit und die Sicherheit in Österreich. Davor haben wir immer gewarnt – und das hat sich in der vergangenen Nacht auf grausame Weise bestätigt“, so die FPÖ-Politiker.