© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

CD-Kritik: Alexandre Tharaud
Leichthändig
Jens Knorr

Eine CD-Serie, inzwischen auf 81 Nummern angewachsen, macht dem Hörer Klavierkonzerte der europäischen Romantik zugänglich, die längst in den tiefen Brunnen der Vergangenheit gesunken waren. In einer entsprechenden Reihe für das 21. Jahrhundert würden drei für den französischen Pianisten Alexandre Tharaud geschriebene und von ihm uraufgeführte Konzerte gute Figur machen.

Der Titel von Hans Abrahamsens (*1952) Konzert für die linke Hand, „Left, alone“, kann bei weggelassenem Komma auch „Alleingelassen“ bedeuten. Der Klavierpart sucht bei beschränkter Reichweite der linken Hand der unbeschränkten des Orchesters standzuhalten, indem er innerlich ins Weite geht. Gérard Pessons (*1958) weit mehr avanciertes „Future is a faded song“ sucht den spezifischen Klang und Gestus von Tharauds Spiel zu fassen, „ausdrucksstark aber nackt, vibrierend aber reglos“. Oscar Strasnoys (*1970) „Kuleschow“ sucht den filmischen Kuleschnow-Effekt musikalisch neu einzukleiden. Ein und dieselbe musikalische Figur kann in der Wiederholung als dieselbe, aber auch als die auf sich selbst folgende gehört werden.

Tharaud hat, so klingt‘s, mit den drei Konzerten leichthändig Spiel. Dessen Clarté und Élégance scheinen über alle sorglose Unverbindlichkeit der Kompositionen hinwegzuhelfen – oder auch nur zu täuschen.

Alexandre Tharaud Pesson, Abrahamsen, Strasnoy Klavierkonzerte Erato 2020  www.erato.com www.alexandretharaud.com