© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

Der Anteil der Hohenzollern an der NS-Machtübernahme
Hochkomplexe Wirkungszusammenhänge
(dg)

Das Haus Hohenzollern streitet seit langem mit der Bundesrepublik und den Ländern Berlin und Brandenburg um eine Entschädigung für die zwischen 1945 und 1949 von der sowjetischen Besatzungsmacht verfügten Enteignungen. Eine geschichtspolitische Dimension gewann die juristische Auseinandersetzung aber erst mit der Bundestagsdebatte vom Januar 2020, die ihr ein breites öffentliches Echo verschaffte und zahlreiche Wortmeldungen von Historikern provozierte. Wie es ausgehen wird, ist für die Frühneuzeit-Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger zwar völlig offen, erscheint ihr aber auch eher als Nebenaspekt des Konflikts (Der Staat, 2/2020). Wichtiger sei seine exemplarische Bedeutung für den Stellenwert geschichtswissenschaftlicher Expertise im Rahmen einer Kontroverse, die auf den von simpleren „Eigenlogiken“ beherrschten Feldern der Politik ausgetragen wird. Die Kernfrage, deren Bejahung eine Entschädigung ausschließt, ob das Haus Hohenzollern Adolf Hitlers Kanzlerschaft und der NS-Diktatur „erheblichen Vorschub geleistet“ habe, führe in „hochkomplexe politische, soziale und ökonomische Wirkungszusammenhänge“, die sich nicht kausal auf individuelle Handlungen reduzieren ließen. Trotzdem müßten Juristen mit Hilfe von Historiker-Gutachten den Fall entscheiden, und das täten sie aufgrund einer sich „herauskristallisierenden fachlichen Mehrheitsmeinung“. 


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