© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

Tillys erstes Bravourstück
Der Sieg der Katholiken in der Schlacht am Weißen Berg 1620 hatte für Böhmen weitreichende Folgen
Ralf Fritzsche

Am 8. November 1620 begann gegen die Mittagszeit am Weißen Berg nahe Prag der Donner der Feuerwaffen und der Vormarsch der Pikeniere, die als erste große Schlacht des Dreißigjährigen Krieges in die Geschichte einging. Als Sieger verließ die katholische Liga mit der kaiserlichen Armee unter Herzog Maximilian I. von Bayern und seinen Feldherren Buquoy und Graf von Tilly das Feld, die ihrem Gegner, König Friedrich V. von der Pfalz und seinem Heerführer Fürst Christian I. von Anhalt, hohe Verluste zufügen konnten.

Initialzündung für den Dreißigjährigen Krieg war der Prager Fenstersturz von 1618, bei dem Protestanten drei kaiserliche Beamte in Prag aus dem Fenster warfen. 1619 setzten die böhmischen Stände den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Ferdinand II., als böhmischen König ab und wählten Friedrich V. von der Pfalz als Nachfolger. Der Konflikt um Böhmen begann.

Soldaten kamen aus fast allen Ländern Europas

Auch wenn die Truppen der katholischen Liga mit etwa 40.000 Soldaten der protestantischen Armee (etwa 13.000) zahlenmäßig weit überlegen waren, so war der Sieg doch keine Selbstverständlichkeit, da das böhmisch-kurpfälzische Heer den Bergrücken besetzt hielt und sich somit in einer strategisch exzellenten Position befand. Nicht zuletzt Tilly war sogar noch am Morgen der Schlacht felsenfest davon überzeugt, daß der Weiße Berg uneinnehmbar sei.

Immerhin hatten beide großen Heere mit schwerwiegenden Problemen im Vorfeld zu kämpfen. Das böhmische Ständeheer war durch lange Märsche, einen sehr kalten Herbst und durch ausbleibende Soldzahlungen kurz davor zu meutern. Kommandeur Christian von Anhalt konnte seine Soldaten allerdings noch ordnungsgemäß auf dem Weißen Berg in Stellung bringen. Zum Ausheben von Schanzen konnte er seine Truppen allerdings nicht mehr motivieren, da das laut seinen Soldaten „die Arbeit von Bauern sei“. Doch auch im Lager der kaiserlichen Armee stand es nicht gut: Hier grassierte eine Krankheit, das sogenannte „Ungarische Fieber“, wohl eine Art von Fleckfieber oder Cholera.

Nachdem der Nebel am Morgen noch einen gewissen Schutz für die Formierung des Heeres bot, griffen gegen Mittag die kaiserlichen Truppen am rechten Flügel an, kurz darauf am linken Flügel die spanische Kavallerie und die wallonische Infanterie. Aufgrund des Angriffs floh bereits ein großer Teil des böhmischen Heeres, was dessen Kampfkraft erheblich schwächte. Immerhin gelang es dem Sohn des Oberbefehlshabers der böhmisch-kurpfälzischen Truppen, Christian II. von Anhalt, mit seinen verbissen kämpfenden Soldaten noch, die spanische Kavallerie abzuwehren und eine wallonische Einheit aufzureiben. 

Doch ein von Tilly befohlener Kavallerieangriff von italienischen und polnischen Reitern zersprengte die feindliche Reiterei, die wiederum aus ungarischen Kavalleristen bestand. Viele von ihnen wurden in die Moldau getrieben, wo der größte Teil jämmerlich ertrank. Daraufhin setzte sich die gesamte katholische Armee in Bewegung und vernichtete das protestantische Heer im Nahkampf. Lediglich die protestantischen Soldaten, die Richtung Prag flohen, blieben verschont.

Friedrich V., von der Niederlage seiner Truppen überrascht, mußte ins Exil fliehen und erhielt später den spöttischen Namen „Winterkönig“, da er sich nur ein wenig länger als ein Jahr in Böhmen behaupten konnte. Wie unerwartet diese plötzliche Niederlage für ihn kam, zeigte sich darin, daß er gerade zu dem Zeitpunkt der Nachricht ein Bankett für den britischen Botschafter abhielt. Von seinem Schwiegervater, König Jakob I. von England, erhoffte er sich nämlich Unterstützung. Doch dazu kam es nicht mehr. Friedrich wollte aufgrund dieser schlimmen Nachricht zwar zu seinen Truppen ins Feld, doch traf er am Stadttor seinen Heerführer Christian sowie etliche bereits flüchtende Soldaten seiner Armee. Christian riet seinem Herrscher zur sofortigen Flucht. Friedrich versteckte sich daraufhin allerdings in der Prager Altstadt, bevor er einen Tag später gen Breslau floh. Erst 1621 konnte er in den Niederlanden ein sicheres Exil finden.

Böhmen wurde nach 1620 nachhaltig rekatholisiert

Der Legende nach wurde dieser Sieg maßgeblich mitbestimmt von dem Auftreten des Feldgeistlichen Dominicus a Jesu Maria, welcher ein fanatischer Protestantenhasser war. Aus einem von Protestanten geplünderten Schloß brachte er ein geschändetes Bild der Heiligen Familie mit, bei dem Maria und Josef die Augen ausgestochen waren. Der Geistliche forderte die katholischen Truppen daraufhin sehr eindringlich auf, diesen Frevel zu rächen. Dies erboste und motivierte die Truppen der katholischen Liga derart, daß sie „Heilige Maria“ rufend schnellstens den Bergrücken erstiegen und den Sieg davontrugen. Laut Legende war dieser von den Protestanten nicht erwartete schnelle Angriff der Hauptgrund dafür, daß das protestantische Heer in totales Chaos geriet und, soweit möglich, die Flucht ergriff. Auch wird Dominicus zugeschrieben, daß er die katholischen Feldherren zum Angriffsbefehl motivierte, da sie meinten, der göttliche Beistand sei ihnen nun sicher.

Kaiser Ferdinand II. ließ als Vergeltung im darauf folgenden Jahr 27 protestantische Standesherren in Prag öffentlich hinrichten. Viele Güter wurden als Reparationen eingezogen. Folgenreicher an dieser Schlacht war aber, daß Kaiser Ferdinand II. nun seinen Anspruch auf die böhmische Krone behaupten konnte. Böhmen war in der Habsburgermonarchie ab jetzt fest verankert. Mit der „Verneuerten Landesordnung“ von 1627 wurden die böhmischen Stände entmachtet und dem Absolutismus Tür und Tor geöffnet. Auch wurde Böhmen rekatholisiert. Viele böhmische Protestanten mußten fliehen und fanden oft einen neuen Wohnsitz in deutschen Fürstentümern.

Auch bezüglich der tschechischen Sprache war diese Schlacht bedeutend. Nicht nur wurde das Deutsche in Böhmen neben dem Tschechischen zur Amtssprache, auch alle gebildeten Schichten dort wechselten jetzt zur deutschen Sprache und gingen im deutschen Kulturleben auf. Erst gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, vor allem unter dem Einfluß der Romantik, wurde das Tschechische als Schriftsprache wieder entwickelt.