Branko Milanovic kennt beide Systeme: 1953 in Paris geboren, aber in Jugoslawien privilegiert aufgewachsen, studierte der Serbe in Belgrad Ökonomie und Statistik. Er erlebte den wirtschaftlichen Niedergang seiner Heimat und die Hyperinflation in den achtziger Jahren – doch gleichzeitig forschte Milanovic schon damals für die Weltbank, denn der sozialistische Tito-Staat pendelte zwischen Ost und West. Von 1991 bis zur Pensionierung 2013 arbeitete der Serbe dann direkt in der Forschungsabteilung der Washingtoner Weltbank. Er lehrte an US-Universitäten und zählt in der amerikanischen Einkommenspyramide zum „dritthöchsten Zehntel“.

Der 67jährige kennt die Systemvorteile und deswegen sorgt er sich um den Kapitalismus, jenes „System, das die Welt beherrscht“, wie der Untertitel seines neuen Buches lautet. Sein Lebensthema ist die seit vier Jahrzehnten gewachsene Ungleichheit – resultierend aus dem Übergang vom „sozialdemokratischen“ in den „liberalen meritokratischen“ Kapitalismus, der Kapitalkonzentration in den Händen Superreicher, der Globalisierung und der Masseneinwanderung in die Sozialstaaten. Angesichts der Corona-Krise verschärften sich weitere Probleme: „Erstens wird die Pandemie die Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China sowie allgemein zwischen dem liberalen und dem politischen Kapitalismus verstärken“, schreibt Milanovic.

„Zweitens wird sie sich auf den Fortschritt der Globalisierung auswirken, weil sie klar gezeigt hat, wie fragil die Annahmen sind, auf denen die globalen Wertschöpfungsketten beruhen. Drittens wird sie den Einfluß des Staates auf das Wirtschaftsleben erhöhen.“ Trotz KP-Diktatur und der Machtkonzentration auf Multifunktionär Xi Jinping ist die Volksrepublik für Milanovic nur dem Namen nach „kommunistisch“: Hier sei „ein vom Staat gelenkter politischer oder autoritärer Kapitalismus“ entstanden. Ähnliches gelte auch für Singapur, Vietnam oder Rußland – was Milanovic besorgt: „Chinas wirtschaftlicher Erfolg weckt Zweifel an der im Westen vorherrschenden Vorstellung, der Kapitalismus könne nur in einer liberalen Demokratie funktionieren.“

Branko Milanovic: Kapitalismus Global. Über die Zukunft des Systems, das die Welt beherrscht, Suhrkamp, Berlin 2020, gebunden, 404 Seiten, 26 Euro, e-Book 21,99 Euro