© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Frisch auf zum Streit
AfD: Glückwünsche der Fraktionsführung an den künftigen US-Präsidenten sorgen für Empörung und Widerspruch / Parteitag kann offenbar stattfinden
Christian Vollradt

Wo endet die Vielstimmigkeit und wo beginnt die Kakophonie? In der AfD scheinen die Übergänge fließend zu sein. Jüngstes Beispiel: Die – vermeintliche – Gratulation der Bundestagsfraktionsspitze an Joe Biden, den kommenden Präsidenten der Vereinigten Staaten. In ihrer Erklärung schrieben Alexander Gauland und Alice Weidel: „Wir wünschen dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Joe Biden, alles Gute für die vor ihm liegenden Aufgaben in seinem wichtigen Amt.“ Die Worte waren bewußt so gewählt, zurückhaltend und ohne ausdrückliches „wir gratulieren ...“. 

Eigentlich eine Petitesse, aber nicht in einer Partei, in der die Facebook-Kachel beliebtes Verlautbarungsorgan ist. Und so folgte die Empörung in nicht in allen, aber einigen lauten Teilen der AfD auf dem Fuße. Die Überschrift reichte offenbar aus, um manchen in Wallung zu bringen. 

„Keine Glückwünsche für den globalistischen Wahlbetrüger Joe Biden!“, protestierte der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier und widersprach seiner Fraktions- und Landesvorsitzenden Weidel. Die stellvertretende Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch monierte, wer „gewonnen hat, steht noch lange nicht fest. Und das ist auch gut so.“ Und auch Parteichef Jörg Meuthen griff den Unmut an der Basis (zum Beispiel: „AfD-Ortsverband Göppingen moniert verfrühte Glückwünsche an Biden ...“) auf: „Sobald ein endgültiges Ergebnis feststeht, werde auch ich selbstverständlich, wie ich dies gegenüber jedem demokratisch gewählten Staatsoberhaupt tun würde, dem neuen US-amerikanischen Präsidenten gratulieren.“

Der AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuß, Petr Bystron, meinte, es sei „voreilig und unklug von Bundeskanzlerin Angela Merkel“ gewesen, „Joe Biden aufgrund unbestätigter Medienberichte zur Präsidentschaft zu gratulieren.“ Die Kritik trifft also mittelbar auch die eigenen Fraktionsvorsitzenden. Der Abgeordnete aus Bayern war indes zuvor auch möglicherweise etwas voreilig: „Bystron gratuliert Donald Trump im Namen der AfD zum Wahlsieg“ hatte er am vergangenen Mittwoch vormittags via Pressemitteilung verkündet – lediglich auf Basis einer Erklärung Trumps. Einige in der Fraktion kritisieren die Wortmeldungen in erster Linie als Illoyalität den gewählten Vorsitzenden gegenüber. Die hätten einfach nur die üblichen Gepflogenheiten im parlamentarischen Betrieb befolgt. Letztlich sei so ein Glückwunsch nicht besonders relevant, es deute aber auf einen realpolitischen Umgang. Und immerhin enthält die offizielle Mitteilung den Hinweis, man sei zuversichtlich, daß mögliche Unregelmäßigkeiten bei den Auszählungen schnell auf rechtstaatlichem Wege geklärt werden. Außerdem bekräftigten Weidel und Gauland, ihre Faktion wolle „weiterhin die Politik der Vereinigten Staaten immer dann unterstützen, wenn sie im Interesse Deutschlands ist und deutlich kritisieren, wenn sie den Interessen unseres Landes zuwiderläuft“.

Inzwischen verdichten sich unterdessen die Anzeichen dafür, daß der Bundesparteitag der AfD am letzten Novemberwochenende im nordrhein-westfälischen Kalkar stattfinden wird. Nachdem die Partei ein Hygienekonzept für die Veranstaltung vorgelegt hatte, signalisierte das Gesundheitsministerium in Düsseldorf Zustimmung, so daß die Behörden vor Ort grünes Licht geben können. Erwartet werden zur Versammlung etwa 600 Delegierte und über 200 weitere Teilnehmer, etwa Medienvertreter. 

Hinter vorgehaltener Hand hatte mancher in der AfD keinen Hehl daraus gemacht, daß er (oder sie) nicht traurig wäre, wenn der Parteitag ausfiele. Auf dem Programm stehen der Beschluß eines sozialpolitischen Leitantrags samt Rentenkonzept und die Nachwahlen zum Bundesvorstand (JF 45/20). Beides dürfte mit erheblichem Diskussionsbedarf verbunden sein.