© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Terror Marke Connewitz
Generalbundesanwalt ermittelt gegen Linksextreme: Zunehmend aggressiver, gezielter, enthemmter und gegen Menschen gerichtet
Paul Leonhard

Im Schatten der „Querdenken“-Demonstration mit über 20.000 Teilnehmern im Stadtzentrum Leipzigs haben Linksextremisten im Szenestadtteil Connewitz erneut das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt. Als Reaktion auf die Verhaftung einer Terrorverdächtigen wurden Barrikaden errichtet und angezündet sowie zum wiederholten Mal das Polizeirevier angegriffen. Eingesetzte Polizisten wurden mit Steinen und Pyrotechnik beworfen, drei Beamte verletzt.

Bei der in ihrer Wohnung in Connewitz festgenommenen Frau handelt es sich um die 25 Jahre alte Studentin Lina E., die nach Ansicht der Bundesanwaltschaft die Anführerin einer seit Anfang 2019 bestehenden linksextremistischen, aus etwa zehn Personen bestehenden kriminellen Gruppe ist. Es ist der zweite meßbare Ermittlungserfolg der Leipziger Sonderkommission „LinX“ nach der Verhaftung zweier Brandstifter.

Die Studentin soll mit Gleichgesinnten unter anderem im Oktober 2019 den Treffpunkt der rechtsextremen Szene „Bulls Eye“ im thüringischen Eisenach überfallen haben. Dabei attackierten  nach Angaben der Bundesanwaltschaft zehn bis 15 Linksextremisten die in dem Lokal Anwesenden mit Schlagstöcken und Faustschlägen und setzten auch Reizgas ein. Bei dem Überfall wurden sechs Personen verletzt. Mitte Dezember 2019 nahmen sich die Linksextremisten den Wirt persönlich vor und schlugen ihn mit Schlagstöcken, einem Hammer, einem Radschlüssel und Stangen zusammen. Ebenso verfuhren sie mit seinen Begleitern. Die jetzt verhaftete Lina E. soll dabei Reizgas versprüht haben. Die Gewalttäter flüchteten anschließend mit dem Auto der Studentin, das zuvor mit gestohlenen Kennzeichen versehen worden war. Weiterhin soll E. die Privatwohnung eines Leipziger Rechtsextremisten ausgespäht und einen Anschlag auf diesen vorbereitet haben. Daß er  mit Hilfe Berliner „Autonomer“ verwirklicht wurde, konnte nach Behördenangaben letztlich „durch polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahmen“ verhindert werden.

Abgeordnete fürchtet „Kriminalisierung Linker“

Der Studentin werden Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung, besonders schwerer Landfriedens- und besonders schwerer Hausfriedensbruch, räuberischer Diebstahl, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung vorgeworfen. Was Staatsschutz und Verfassungsschutz für besonders bedenklich halten, ist die neue Taktik der Linksextremisten. Erstmals läßt sich an den von der Leipziger Studentin seit September 2019 geführten Kommando nachweisen, daß eine höchst konspirativ und selbständig arbeitende Kleinstgruppe gezielt mit Gewalt gegen Personen vorgeht. 

Bisher hatte die Szene offiziell für sich in Anspruch genommen, Gewalt nur gegen Sachen anzuwenden. Linksextremistische Gewalt werde nun „zunehmend aggressiver, gezielter, enthemmter und personenorientierter“, heißt es bei den Verfassungsschützern, die sich dabei auf Ereignisse in Berlin, Hamburg, Sachsen, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen beziehen. Entsprechend besorgt hatte sich bereits Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang bei der Vorstellung seines Berichts für 2019 geäußert (JF 30-31/20): Jeder vierte Linksextremist (insgesamt 9.200 Personen) sei als gewaltorientiert einzuschätzen. Mit Sorge beobachtet das Bundesamt, daß die Hemmschwelle im linksextremistischen Spektrum, Gewalttaten zu verüben, sinke. 

Die aktuellen Einschätzugen aus Sachsen sind ähnlich alarmierend. Schwere Körperverletzungen der Opfer „bis hin zum möglichen Tod“ würden billigend in Kauf genommen. Vor allem in Leipzig „erreicht die gewaltorientierte linksextremistische Szene durch von ihr verübte Straf- und Gewalttaten eine neue Eskalationsstufe“.

Das von Lina E. geführte Kommando setzt sich aus Gewalttätern aus ganz Deutschland zusammen. Nach dem Überfall auf den Eisenacher Wirt nahm die Polizei Personen aus Weimar, Kassel, Berlin und Braunschweig vorläufig fest. Die Linken-Landtagsabgeordnete Jule Nagel aus Leipzig-Connewitz befürchtet unterdessen eine „Kriminalisierung ganzer Teile der politischen Linken“.