© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Bei manchen lieber wegsehen
Corona-Schutzmaßnahmen: Die Maskenpflicht wird nicht überall gleich kontrolliert und sanktioniert / Polizei an der Belastungsgrenze
Hinrich Rohbohm

Mit eingeschaltetem Blaulicht steht der Polizeiwagen mitten auf der Mönckebergstraße, der Haupteinkaufsmeile von Hamburg. Zwei junge Polizistinnen patrouillieren in der Straße. In ihr Visier ist eine junge Frau geraten. Ihr Vergehen: Sie trägt keinen Mund- und Nasenschutz. Seit dem ab 2. November geltenden Teil-Lockdown kann so etwas auch außerhalb geschlossener Räume inzwischen zur kostspieligen Angelegenheit werden. 150 Euro an Geldbuße müssen Maskenmuffel in der Elbmetropole berappen, sollten sie den Anweisungen der Polizei nicht nachkommen.

Die Frau kramt nun ihre Maske hervor, setzt sie auf. Die Polizistinnen nehmen ihre Personalien auf, belehren sie über den weiteren Verfahrensweg, beantworten Fragen. Ein Prozedere, das fast 30 Minuten in Anspruch nimmt. Hunderte weitere Passanten kommen unterdessen an den beiden Beamtinnen vorbei. Die meisten von ihnen halten sich an die Maskenpflicht. Manche sehen das Blaulicht und die Polizistinnen, schieben sich spätestens jetzt das Stück Tuch über Mund und Nase. Einige jedoch zeigen keine Reaktion, gehen lässig ohne Gesichtsbedeckung in einem Abstand von gerade einmal fünf Metern an den Ordnungshüterinnen vorbei, die den Vorfall zumeist gar nicht mitbekommen, weil sie noch mit der jungen Frau beschäftigt sind.

Abgesehen von den rechtlichen Fragen: Wie effektiv sind angesichts solcher Szenen die Kontrollmaßnahmen? Wie konsequent werden sie verfolgt? Und: Wird die Polizei auch jene kontrollieren, bei denen ein Durchsetzen der Maßnahmen weitaus unangenehmer für sie werden könnte, als bei dieser jungen Frau und den meisten Passanten in der gut situierten Mönckebergstraße? Nach den Beobachtungen der JF vom Sommer dieses Jahres gerade in migrantisch dominierten Partyszenerien sind Zweifel angebracht (JF 34/20).

Wir bleiben zunächst in der Mönckebergstraße und warten. Schon nach wenigen Minuten kommt ein junger Mann südländischen Aussehens an den Beamtinnen vorbei. Ohne Maske, im direkten Blickfeld und so nah, daß ihn die Ordnungshüterinnen dieses Mal einfach sehen müssen. Doch eine Reaktion der Staatsmacht bleibt aus, der Mann kann unbehelligt passieren. Zufall? Wurde der Mann vielleicht einfach deshalb nicht angesprochen, weil der Vorfall mit der jungen Frau noch nicht abgeschlossen war? Oder herrscht hier gar eine Art Migranten-Bonus für all jene, bei denen im Falle einer Kontrolle möglicherweise Ärger droht?

„Wir können nicht alles mitbekommen“

Wir begeben uns in rauhere Gefilde. Der Steindamm im Hamburger Stadtteil St. Georg. Ein Ort, der zu Hamburgs verruchtesten Ecken zählt. Alkoholiker, Prostituierte und Drogenhändler prägen das Bild. Schlägereinen sind an der Tagesordnung, der Migrantenanteil ist hoch.

Doch die Polizei zeigt auch hier Präsenz, setzt die Maskenpflicht tatsächlich konsequent durch. Auch bei den Migranten. Selbst hier hält sich die große Mehrheit an die neuen Verordnungen. Doch es lohnt sich ein genauerer Blick. „Leute, die Bullen kommen“, ruft eine Frau in eine Gruppe hinein, die sich vor einem Dönerladen versammelt hat. Schnell werden die Masken aufgezogen. Jedenfalls von denen, die sie bisher nicht trugen. Zwei aus der Gruppe schert das nicht. Demonstrativ bleiben sie ohne Gesichtsbedeckung. Es sind junge Männer, mutmaßlich aus dem türkisch-arabischen Raum. Die Beamten laufen an ihnen vorüber. Diesmal kein Hinweis auf Maskenpflicht, keine Verwarnung. Die Konsequenz hat ihre Grenzen.

Aber: Einen pauschalen Migranten-Bonus gibt es hier definitiv nicht. Jedoch verfestigt sich der Eindruck, daß bestimmte Personenkreise, die der Polizei Ärger machen könnten, von den Beamten bewußt gemieden werden. So auch in einem nahe gelegenen türkischen Friseurgeschäft, in dem eigentlich Maskenpflicht herrschen sollte. Ein Kunde mit Vollbart, dem Äußeren nach zu urteilen ebenfalls aus dem türkisch-arabischen Raum stammend, bekommt seinen Haarschnitt, ohne dabei Mund- und Nasenschutz tragen zu müssen. Die Polizeistreife läuft an dem Geschäft vorbei, sieht sogar hinein. Und unternimmt in diesem Fall nichts. Auch der Friseur macht keine Anstalten, den Mann auf den Mundschutz hinzuweisen.

Plötzlich erklingen Polizeisirenen. Ein Einsatzwagen erscheint. Kontrolle in einem Waschsalon. Die Beamten gehen in den Laden. Vorbei an jungen, bärtigen und unmaskierten Migranten. Erneut keine Beanstandungen, während die Beamten weiter in Richtung Hauptbahnhof vor allem Frauen, ältere und harmloser erscheinende jüngere Menschen gewissenhaft kontrollieren.

Wir sprechen einen Beamten an. Fragen, ob und warum bestimmte Leute bei offensichtlichem Verstoß gegen das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes nicht kontrolliert werden. „Jeder wird gleich kontrolliert. Aber wir können natürlich auch nicht alles mitbekommen.“ Habe man Kenntnis über einen Vorfall, gehe man ihm „selbstverständlich“ nach, erhalten wir als Antwort.

Auch am „Schulterblatt“ gilt die Maskenpflicht. Es ist die Straße, in der sich die „Rote Flora“ befindet, Hochburg der Linksextremen. Die Ironie: Obwohl Vermummung in diesem Milieu eigentlich keine Seltenheit ist, hält sich in diesem Fall kaum jemand an das Tragen einer Maske. Und die Polizei? Die ist anders als in anderen Maskenpflicht-Hot-Spots der Hansestadt hier erst gar nicht vor Ort. Und hat damit eben auch keine „Kenntnis“ über derartige „Vorfälle.“ An der wenige hundert Meter entfernten Bahnstation Sternschanze weist ein Schild auf Alkoholverbot im Bahnhofsbereich hin. Zehn Meter weiter hat ein Kiosk geöffnet, verkauft Bier und Wein an eine Gruppe junger Migranten, von denen nicht wenige ebenfalls ohne Mund-Nasenschutz in den Laden kommen. Mehr als 20 Leute haben sich hier versammelt. Von der Polizei fehlt auch hier jede Spur. „Ja, ich weiß“, sagt der Kioskverkäufer. „Soll ich die deswegen etwa anmachen? Ich sag ganz ehrlich. Auf den Ärger hab ich keinen Bock, das ist Sache der Polizei.“

Doch die kann nicht überall sein. Das wird auch in Bremen deutlich. Auf dem Bahnhofsplatz ist sie präsent, setzt die Maskenpflicht durch. Dem nur 50 Meter entfernten, zumeist von Punkern als Treffpunkt genutzten Platz bleibt sie dagegen fern. Dabei werden gerade hier kaum Masken getragen. Auch im links und migrantisch geprägten „Viertel“ ist von der Polizei wenig zu sehen, die sich mehr auf die Einkaufszentren und Fußgängerzonen der Stadt zu konzentrieren scheint. Blicke in die Läden zeigen hier ebenfalls: Obwohl sich die Mehrheit an die Maskenpflicht hält, scheinen einige gleicher zu sein. Auch hier zumeist junge Menschen aus der linken Szene oder mit Migrationshintergrund aus dem türkisch-arabischen Raum. 

Und auch in Leipzig haben die jüngsten Demonstrationen gezeigt, daß die Maskenpflicht zwar beim Großteil der Bürger kontrolliert, aber gerade bei großen Menschenansammlungen nicht durchgesetzt wird. Zum einen stößt die Polizei an personelle Belastungsgrenzen. So hat das Land Bremen jüngst zusätzliche Kräfte der Bundespolizei angefordert und ein entsprechendes Amtshilfeersuchen gestellt. „Es ist immer die Frage, ob Personal zur Verfügung steht“, lautete darauf die vielsagende Antwort aus der Bundespolizeidirektion Hannover.

Auf der anderen Seite weiß jeder erfahrene Polizeibeamte: Eine Kontrolle bei Problemgruppen bringt ihm eine Menge Ärger ein. Körperlichen wie bürokratischen und im schlechtesten Fall auch disziplinarrechtlichen Ärger. Denn gerade in rot-grün regierten Bundesländern klagen Polizisten nicht erst seit Corona-Zeiten über mangelnden Rückhalt aus der Politik. Ist vielleicht auch das der Grund, warum so mancher Beamte bei bestimmten Personen einfach mal wegsieht? „Ich kann mich dazu offiziell nicht äußern“, sagt uns ein junger Bremer Polizist während seines Einsatzes. Aber: „Ganz falsch liegen Sie nicht.“