© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

In der Corona-Pandemie fehlt der Politik eine Langzeitstrategie
Wer soll das alles bezahlen
Joachim Starbatty

Die derzeitige Ausgabenfreudigkeit erinnert an einen rheinischen Karnevalsschlager: „Wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld“? Finanzminister Olaf Scholz greift mit vollen Händen in den Staatssäckel – es geht alles auf Pump. Zwar ist im Grundgesetz eine Schuldenbremse verankert, doch wenn es um Europa und um Corona geht, gibt es kein Halten mehr. Die Bundesregierung hat im Rahmen des EU-Hilfsprogramms die Gemeinschaftshaftung akzeptiert. Das ist der endgültige Einstieg in eine Transfer­union: Kein Euroland geht mehr Konkurs, weil die Bundesregierung immer einspringen wird.

Auch bei der Bekämpfung der Corona-Krise wird Geld in ein offenes Loch geschüttet. Ein langfristiges Konzept hat Angela Merkel nicht vorgelegt, doch die Kanzlerin kann argumentieren, daß das alle Regierungen in Europa so machen – also alle gemeinsam in den Schuldensumpf? Wenn nach einem Monat die Infektionszahlen nicht heruntergegangen sind, kann der „Teil-Lockdown“ nicht aufgehoben werden. Kompensationen werden weitergezahlt. Da sich das Virus nicht einsperren läßt, ist eine dritte Welle nicht ausgeschlossen.

Unsere Regierung hat darauf keine Antwort, unser Parlament aber auch nicht. Es beklagt sich, daß es nicht mitentscheiden kann. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hat statt des politischen „Stotterbremsens“ eine Langzeitstrategie skizziert: Schnelltests, FFP2-Masken, Schutz der Risikogruppen. Doch die Politik will die Not lindern, weiß aber nicht, wie sie die Not beenden kann.

Und das Geld fließt, als ob es kein Morgen gäbe. Die Politiker haften ja nicht. Eine Zeitlang können sie sich noch aus der Verantwortung stehlen, weil die EZB einspringt. Sie hat notleidende Euro-Staaten über Wasser gehalten, indem sie bei Nullzinsen deren Staatsanleihen aufgekauft hat. Wenn die Finanznot in der Eurozone und absehbar auch bei uns zunimmt, wird die EZB alle Hemmungen fallenlassen und zur unmittelbaren Staatsfinanzierung übergehen. Die Geschichte der Papiergeldwährungen lehrt uns, daß Inflation die Konsequenz sein wird. Ist die Staatsverschuldung so gewachsen, daß sie über ehrliche Finanzierung nicht mehr zurückgezahlt werden kann, so bleiben zwei Möglichkeiten: Staatskonkurs oder Inflation.

Ein Staatskonkurs wäre der ehrlichere Weg, da dann diejenigen geschädigt würden, die so vertrauensselig waren, dem Staat ihr Geld anzuvertrauen. Da in der Eurozone kein Staat mehr Konkurs gehen darf, bleibt bloß Inflation. Angstmacher werden die genannt, die auf solche Gefahren hinweisen, seien doch die Euro-Inflationsraten nahezu null. Ja, noch. Wenn die Bürger aber merken, welches Spiel mit ihnen getrieben wird, verlieren sie rasch ihre Geldillusion und flüchten aus dem Euro.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.