© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Eine Gegendarstellung kam nie
Falschmeldung zum GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen: Nach dem „Spiegel“ gerät nun „Monitor“ in die Kritik
Ronald Berthold

Schlappe 250 Mark waren 1993 eine Menge Geld für eine Kiosk-Verkäuferin; genaugenommen ein Wochenlohn. Für diese Summe unterschrieb Joanna Baron der ARD-Sendung „Monitor“ eine falsche eidesstattliche Versicherung. Darin behauptete sie, ein GSG-9-Beamter habe den RAF-Terroristen Wolfgang Grams auf dem Bahnhof von Bad Kleinen „aus nächster Nähe mehrmals“ in den Kopf geschossen.

Heute wissen wir, das war eine mit Gebührengeldern bezahlte Lüge. Geschrieben hat sie im Namen von Baron der Reporter Philip Siegel, der heute an der ARD/ZDF-Medienakademie den journalistischen Nachwuchs der Öffentlich-Rechtlichen ausbildet.

Die Relotius-Kommission des Spiegel hat die Geschichte, die auch das Magazin verbreitete, als Fake eingestuft (JF 46/20). Doch „Monitor“ hatte die Räuberpistole, in deren Folge Bundes­innenminister Rudolf Seiters (CDU) und Generalbundesanwalt Alexander von Stahl ihre Jobs verloren, zuerst verbreitet.

Zwei Tage vor dem Blatt meldete die ARD, der RAF-Terrorist sei „am Tatort regelrecht hingerichtet“ worden. Das bestätige auch ein erster Obduktionsbefund. Dieser legte zwar einen – später eindeutig bestätigten – Suizid nahe, doch „Monitor“-Chef Klaus Bednarz behauptete: „Alles deutet auf Exekution. Ein ungeheuerlicher Vorgang …“ Die RAF, die 33 Menschen ermordete, stand als Opfer, der Staat als Täter da.

Der Sender hat die Darstellung nie korrigiert. Im Gegenteil: 2013 wiederholte er die längst widerlegten Vorwürfe. Der damalige Staatsanwalt bezeichnete den Film daher als „geschichtsverfälschend“. Das paßt zur Haltung des heutigen „Monitor“-Chefs, Georg Restle. Kürzlich forderte er von seinen Kollegen, „endlich damit aufzuhören, nur abbilden zu wollen, ‘was ist’“. Es gehe darum, Partei zu ergreifen. Das sei „werteorientierter Journalismus“.

Auf Anfrage der Welt zum Fall Bad Kleinen teilt Restle nun mit, man werde den Spiegel-Kommissionsbericht zum Anlaß nehmen, „uns mit der Sache zu befassen“. Wann mit einer abschließenden Bewertung zu rechnen sei, könne er aber nicht sagen.