© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Umwelt
Zu lange gewartet
Paul Leonhard

Mutierte Coronaviren wurden bei Zuchtnerzen in den Niederlanden, Italien, Spanien, Schweden und den USA nachgewiesen. Doch die Hiobsbotschaft kommt aus Dänemark: Die dortige Cluster-5-Variante von Sars-CoV-2 könne die Wirksamkeit künftiger Impfstoffe beeinträchtigen, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Kopenhagen hat deswegen verfügt, bis zum 16. November alle 15 bis 17 Millionen Nerze, die in den 1.500 Farmen gehalten werden, zu töten. Dänemark wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, daß sich von seinem Territorium aus eventuell eine neue Welle von Infektionen über die ganze Welt ausbreitet, erklärte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Doch warum wurde damit so lange gewartet?

Die dänische Nerzzucht wird trotz gefährlicher Coronavirus-Mutationen nicht aufgegeben.

In den Niederlanden hatte es bereits im April Corona-Ausbrüche gegeben – 1,1 Millionen Nerze wurden vorsorglich gekeult. Im Mai folgte ein Ausbruch auf einer spanischen Nerzfarm. Im Juni wurden die ersten Fälle in Nordjütland gemeldet, doch vor einer Radikallösung wurde zurückgeschreckt: Dänemark ist vor China, Polen und den Niederlanden der weltweit größte Produzent von Nerzpelzen. Es kam wie absehbar: Ein zweiter, viel größerer Ausbruch erfolgte im Oktober. Tests und Quarantänemaßnahmen reichten nicht aus, um die Ausbreitung des mutierten Virus aufzuhalten. In einer Risikoeinschätzung warnte das dänische Seruminstitut (SSI) vor einer Fortführung der Nerzproduktion 2021. Das Infektionsrisiko sei zu hoch. Den zweiten Schritt wagt Frederiksen aber bisher nicht: den Wiederaufbau der Nerz-Farmen ganz zu untersagen und den meist kleinen Familienbetrieben mit 6.000 Beschäftigten eine andere wirtschaftliche Perspektive zu eröffnen. Immerhin: Mit weniger als 750 Covid-19-Todesfällen bei 5,8 Millionen Einwohnern steht Dänemark bislang besser da als Deutschland.