© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Klaas Dijkhoff. Der Vollblutpolitiker will lieber Karnevals­prinz als Staatschef werden.
Leben statt Macht
Mina Buts

Lange galt er als Kronprinz der niederländischen Rechtsliberalen. Doch anstatt Nachfolger von Premierminister Mark Rutte zu werden, will VVD-Fraktionschef Klaas Dijkhoff nun im kommenden Frühjahr aus der Politik ausscheiden. Dabei war der Aufstieg des erst 39jährigen mustergültig: Als Sohn eines niederländischen Offiziers im niedersächsischen Soltau geboren, trat er mit 17 Jahren der liberal-konservativen „Volkspartij voor Vrijheid en Democratie“ bei. Sein Jurastudium beendete er 2010 mit einer Promotion und wurde im selben Jahr Abgeordneter der VVD im Parlament. 2015 stieg er zum Staatssekretär für Sicherheit und Justiz, 2017 sogar kurzzeitig zum Verteidigungsminister auf. Im selben Jahr holte er in der beliebten Fernsehsendung „Der klügste Mensch“ den Titel.

Dijkhoff scheute sich nicht, festzustellen, daß Holland ein Problem mit Einwanderung habe. Statt Flüchtlinge ins Land zu lassen, sollten sie erst in Heimatnähe aufgenommen werden, die Einreise dürfe nur wirklich Verfolgten gestattet werden. Doch auch für diese gelte, willkommen sei nur, wer „zu uns paßt“ und bereit sei, einen Beitrag für das Landeswohl zu leisten. Dem Mittelstand, den „guten Leuten“, wie er sagt, galt sein besonderes Augenmerk, dieser müsse wiederaufgebaut werden. Den Nutzen großer Konzerne hinterfragte er ebenso wie deren Gewinnmaximierungsstrategie. Und um Sicherheit im Land zu garantieren, forderte er einen starken Staat.

Dijkhoff hat in den vergangenen Jahren versucht, die VVD ideologisch stärker zu profilieren, um abgewanderte Wähler den beiden niederländischen Rechtsparteien – der PVV von Geert Wilders und der FVD des rechten Wunderkinds Thierry Baudet (JF 13/18) – wieder abzuwerben. Das ist ihm nicht gelungen und in der eigenen Partei wuchs die Kritik an ihm. Die Affäre um ein Übergangsgeld aus seiner Ministerzeit, das er angenommen hatte und erst später wieder zurückzahlte, hat seiner Beliebtheit bei den sparsamen Niederländern zudem enorm geschadet.

Premierminister Ruttes Bekenntnis, Dijkhoff Rückzug sei „unglaublich schade“, ist heuchlerisch, denn längst hat er seine Wiederwahl ins Spiel gebracht. Allerdings betont Dijkhoff, er habe schon vor Jahren beschlossen, der Politik den Rücken zu kehren. Seine Begründung im NRC Handelsblad läßt ihn als menschlich zu anspruchsvoll für die Scheuklappen-Tretmühle der Parteipolitik erscheinen: Die sei zwar „fordernd und verführerisch“, aber bestehe auch aus unendlich viel Gerede und endlosen Konferenzen, bei denen kein Raum für Tiefe sei. Und er bescheinigt seinem Berufsstand: „Während wir oft noch hinter den Tatsachen hinterherhecheln, ist die Gesellschaft schon viel weiter als die politische Diskussion.“ Außerdem wird er mehr Zeit für die Familie und sein karnevalistisches Engagement haben. Vielleicht geht sogar sein Lebenstraum in Erfüllung: „Ich werde lieber Karnevalsprinz als Premierminister.“