© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Letzte Ehre für die „Landshut“
Rote Armee Fraktion: Überlebende Terrorismusopfer fordern Museum / Unterstützung für Alexander von Stahl
Christian Vollradt

Große Chancen, daß ihr Anliegen im Petitionsausschuß des Bundestags beraten wird, haben die Petenten nicht mehr. Gerade einmal gut 550 Mitzeichner konnten sie auf der entsprechenden Internetseite des Parlaments für ihr Vorhaben, ein „Museum des Deutschen Herbstes, idealerweise auf dem Gebiet des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin zu errichten“, gewinnen (Stand bei Redaktionsschluß). Nötig wären 50.000, damit sich die Abgeordneten mit der Sache befassen.

Maßgeblich mit angestoßen hat das Ganze die Künstlerin Gabriele von Lutzau, die 1977 als Stewardeß die Entführung der „Landshut“ miterlebte und sich bei der Betreuung der anderen Geiseln große Verdienste erwarb. Auch der ehemalige Lufthansa-Pilot Jürgen Vietor gehört zu den Initiatoren. „Als der Copilot der entführten ‘Landshut’ möchte ich, daß den Ereignissen des Jahres 1977 und der Ermordung meines Kollegen, Kapitän Jürgen Schumann, in angemessener Weise Rechnung getragen wird“, schrieb er über seine Motivation. 

Außerdem heißt es in der Begründung der Petition: „Die linksextremistische und terroristische Vereinigung Rote Armee Fraktion war insgesamt für 33 Morde und für zahlreiche Geiselnahmen, Banküberfälle und Attentate mit unzähligen Verletzten verantwortlich. Ihre Aktivitäten sollten der jungen Bundesrepublik Deutschland erheblichen Schaden zufügen und sie in ihrem Bestehen in Frage stellen.“ Eine der schwersten Krisen in der Geschichte des Landes dürfe nicht vergessen werden. Die 1977 von palästinensischen Terroristen zur Freipressung gefangener RAF-Leute entführte und später von der GSG 9 befreite „Landshut“ war 2017 auf Initiative des damaligen Bundesaußenministers Sigmar Gabriel (SPD) nach Deutschland gebracht worden (JF 42/17). Zur Zeit steht sie in einer Halle am Flughafen Friedrichshafen. 

Zuvor hatten sich die Petenten bereits an Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit der Bitte gewandt, den Plan einer Ausstellung der Maschine im Luftwaffenmuseum Berlin-Gatow nicht umzusetzen. Die historische, zivile Boeing 737 habe keinen Bezug zur Bundeswehr oder Militärgeschichte. Ein Sprecher der Bundesregierung teilte am Montag mit, man halte an der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vereinbarung, „die ‘Landshut’ in Erinnerung an ihre Entführung im Jahr 1977 auszustellen“, fest. Ein eigenes „Museum des Deutschen Herbstes“, wie es in der Petition gefordert wird, „wurde nicht avisiert“, im Bundeshaushalt seien keine Mittel für ein entsprechendes Museum etatisiert. Derzeit prüfe die Bundesregierung alternative Standorte, welche die „räumlichen Voraussetzungen für ein so großes Exponat wie die Boeing 737-200 und eine museale Anbindung“ erfüllen. Diese Voraussetzungen erfülle auch der ehemalige Flughafen Berlin-Tempelhof „auf absehbare Zeit“ nicht. Die Petition, die genau dort ein Museum verwirklicht sehen möchte, kann noch bis zum 7. Dezember untertützt werden. 

Unterdessen hat der Staatsrechtler Rupert Scholz (CDU) die Bundesregierung aufgefordert, den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl vom Vorwurf zu entlasten, er habe sich im Zusammenhang mit dem 1993 erschossenen RAF-Terroristen Wolfgang Grams etwas zuschulden komme lassen. Hintergrund sind die jüngst bekanntgewordenen Ergebnisse einer internen Untersuchung des Spiegel über die Entstehungsgeschichte eines falschen Artikels des Nachrichtenmagazins über die Vorgänge in Bad Kleinen (JF 46/20). „Der damalige Umgang mit Alexander von Stahl, dem ich persönlich sehr verbunden bin – und ebenso mit Rudolf Seiters –, war skandalös. Beiden gegenüber müßte es nicht nur von seiten des Spiegel, sondern auch des Justizministeriums eine Entschuldigung und auch eine Wiedergutmachung geben“, sagte Scholz der JUNGEN FREIHEIT.

Ex-Minister fordert Entschuldigung 

Obwohl schon damals klar war, daß „die Darstellung der Ereignisse um den Tod von Wolfgang Grams durch Herrn Leyendecker nicht zutreffen kann“, seien die Behörden dem nie richtig nachgegangen, kritisierte der frühere Berliner Justizsenator und Verteidigungsminister. „Statt dessen hat es die Bundesregierung an Ernsthaftigkeit fehlen lassen, sich für die zu Unrecht am Pranger Stehenden einzusetzen, ist eingenickt und in Deckung gegangen.“ Generalbundesanwalt von Stahl und der damals zurückgetretene Bundesinnenminiser Rudolf Seiters (CDU) „sind bis heute Opfer eines hingeschleppten Skandals“, ist Scholz überzeugt. 

Das Bundesjustizministerium äußerte sich zu der Frage einer möglichen symbolischen Rehabilitierung von Stahls indes ausweichend. Als Generalbundesanwalt sei von Stahl seinerzeit politischer Beamter gewesen und habe damit ein Amt bekleidet, „bei dessen Ausübung er fortdauernd mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung in Übereinstimmung stehen mußte“, sagte eine Sprecherin. „Es ist letztlich eine höchst persönliche Entscheidung der obersten Dienstherrin beziehungsweise des obersten Dienstherrn, die Entlassung eines politischen Beamten beim Bundespräsidenten zu beantragen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen ihr oder ihm und dem politischen Beamten gestört ist.“ Ein gestörtes Vertrauensverhältnis könne „schwerlich symbolisch rehabilitiert werden“.

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