© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Steuervorteil für Verfassungsfeinde
Anfrage der AfD: In Hamburg gelten offensichtlich Vereine noch als gemeinnützig, die dies laut einer bundesweiten Extremismusklausel nicht sein dürften
Christian Vollradt

Eigentlich ist die Rechtslage ziemlich klar: Ein eingetragener Verein, der als extremistisch eingestuft wird, kann nicht (mehr) gemeinnützig sein. Der Bundesfinanzhof hatte 2018 höchstrichterlich entschieden, eine Steuervergünstigung setze unter anderem voraus, daß die betreffende Körperschaft nicht nur laut ihrer Satzung, sondern auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung fördert. Wer im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Bundeslandes als extremistische Organisation aufgeführt wird, bei dem könne „widerlegbar vermutet“ werden, daß die Voraussetzungen für eine Gemeinnützigkeit damit nicht erfüllt sind. Es gilt dann die Beweislastumkehr: Ein solcher Verein muß beweisen, daß er nicht extremistisch ist. Für das Finanzamt heißt das: Wer drin ist (im Verfassungsschutzbericht), ist draußen (aus der Steuervergünstigung). 

Doch in der Freien und Hansestadt Hamburg scheint man es mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei Extremisten nicht besonders eilig zu haben. Diesen Schluß legt die Antwort des rot-grünen Senats auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft nahe. 26 von der Partei angefragte Vereine werden vom Verfassungsschutz laut Senat als extremistisch eingestuft, darunter die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) oder das als Europazentrale der iranischen Mullahs geltende Islamische Zentrum Hamburg (IZH). Inkognito hatten vermeintliche Spender angefragt und von fünf als extremistisch eingestuften Vereinen schriftlich bestätigt bekommen, man sei gemeinnützig, die Spendensumme könne daher steuerlich abgesetzt werden, teilten die beiden AfD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Nockemann und Alexander Wolf mit. 

Der Senat indes wollte in seiner Antwort keine Angaben zu deren steuerlichen Behandlungen machen – unter Berufung auf das Steuergeheimnis. In drei Fällen seien jedoch Verfahren zum Entzug der Gemeinnützigkeit anhängig, hieß es. Seit wann, blieb offen. 

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT erhebt Wolf schwere Vorwürfe in Richtung der zuständigen Stellen der Hansestadt. „Während die Berliner Finanzbehörde dem VVN-BdA 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannte, ließ das die Hamburger Finanzbehörden nicht nur unberührt.“ Der Senat gewährt dem VVN-BdA sogar, obwohl er ihn als extremistisch einstufe, „in den letzten 15 Jahren jährlich auch noch Zuschüsse in vierstelliger, 2019 und 2020 sogar in fünfstelliger Größenordnung“, empört sich der Fraktionschef. „Schlimmer noch: Auch der Verein Junges Hamburg e.V., der von Mitgliedern des gewaltbereiten Roten Aufbaus gesteuert wird, erhält aus Steuermitteln Unterstützung für PC-Ausrüstung, für Musikinstrumente und anderes Band-Equipment, für die Jugendarbeit und für Seminare.“ 

Von den drei laufenden Aberkennungsverfahren, die der Senat erwähnt, betreffe eines wahrscheinlich das islamistische IZH. Wolf vermutet, „erst infolge unserer Anfrage“. Auch daß die Regierung unter Verweis auf das Steuergeheimnis der betroffenen Vereine viele Details nicht beantwortet, hält Jurist Wolf für skandalös: „Der Senat versteckt sich hinter dem ‘Steuergeheimnis’ – und der verantwortliche Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bemüht jetzt sogar den beliebten „Fake-News“-Vorwurf. Beides überzeugt nicht.“ Nach der Abgabenordnung sei die Veröffentlichung von Daten, die durch das Steuergeheimnis an sich geschützt sind, zulässig, wenn dafür ein zwingendes öffentliches Interesse bestehe. „Das liegt hier zweifellos vor“, ist das AfD-Bundesvorstandsmitglied überzeugt. „Denn durch die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit an gleich mehrere extremistische Vereine wird das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Arbeit der Steuerverwaltung erheblich erschüttert.“

Das vollständige Interview mit Hamburgs AfD-Fraktionsvorsitzendem Alexander Wolf: https://jungefreiheit.de