© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Trump fühlt sich verraten
Indizien eines Wahlbetrugs in den USA verdichten sich: Der amtierende US-Präsident macht alles, er geht nur nicht nach Hause
Thorsten Brückner

Die Vorwürfe sind zahlreich: illegales Rückdatieren von Briefwahlunterlagen, Tote, die ihre Stimme abgegeben haben, Auszählungen in großen Städten, die hinter verschlossenen Türen ohne republikanische Beobachter stattgefunden haben, und schließlich eine Software, die Manipulationen möglich macht. Was davon bewiesen ist und was nicht, darüber gehen die Meinungen zwischen dem linksliberalen und dem konservativen Amerika auseinander. Der Reihe nach. 

Gingrich: „Wir glauben, daß diese Leute Diebe sind“

Daß zahlreiche Tote bei der Wahl ihre Stimme abgegeben haben, kann als belegt gelten. Moderator Tucker Carlson stellte in seinem abendlichen Programm auf Fox News einige der Personen vor, die noch aus dem Jenseits ihrer vermeintlichen Bürgerpflicht nachgekommen sind – die Briefwahl macht’s möglich, zumal in Staaten, in denen Wahlunterlagen einfach wild an das ganze Wählerverzeichnis gesendet wurden wie etwa in Nevada. Im Silver State häufen sich zudem Vorwürfe, zahlreiche Bürger hätten ihre Stimme dort abgegeben, obwohl diese längst den Bundesstaat verlassen haben. 

Aus Pennsylvania berichtet Trump-Berater Corey Lewandowski von einem Katz-und-Maus-Spiel bei der Beobachtung der Stimmauszählung. Republikaner hätten sich dort erst vor Gericht Zutritt zu den Auszählungsstätten verschaffen müssen, und auch danach seien sie in Philadelphia, der Stadt, in der der Republikaner Mitt Romney 2012 angeblich in 59 Wahlgebieten null Stimmen geholt hatte, nicht nahe genug an die eigentliche Zählung herangelassen worden. Trump-Anwalt Rudy Giuliani spricht von Hunderttausenden Stimmen, die im Keystone State auf irreguläre Art und Weise abgegeben worden seien. Ein Postmitarbeiter in dem Staat hat zudem unter Eid ausgesagt, daß sein Vorgesetzter die Rückdatierung verspätet eingegangener Briefwahlunterlagen angeordnet haben soll.

Die Vorwürfe der republikanischen Seite sind an Schärfe kaum zu überbieten. „Wir glauben, daß diese Leute Diebe sind, wir glauben, daß die Maschinerie in den großen Städten korrupt ist“, sagte der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich. Die immens hohe Wahlbeteiligung wirft Fragen auf. Trump konnte im Vergleich zu 2016 seine Stimmenzahl um über zehn Millionen steigern und verlor dennoch im Popular Vote, weil Biden neun Millionen Stimmen mehr holte als Barack Obama 2008 – eine Wahl, die damals getragen war von einem landesweiten Enthusiasmus für den ersten schwarzen Präsidenten. Zwar haben die USA heute auch 24 Millionen mehr Einwohner als vor zwölf Jahren, dennoch war im Wahlkampf – gerade auf seiten der Demokraten – so gut wie keine Euphorie zu spüren.

Fox News hat sich gegen Trump gewendet

Dem Datenjournalisten Richard Baris zufolge hat Trump in allen größeren Städten prozentual besser abgeschnitten als gegen Clinton 2016 – ein Trend, dem ausgerechnet vier Städte in vier umkämpften Staaten nicht folgen wollten: Milwaukee (Wisconsin), Detroit (Michigan), Atlanta (Georgia) und Philadelphia (Pennsylvania). Umstritten ist auch die Software Dominion, die in Wisconsin für einen Ergebnisfehler zuungunsten Trumps verantwortlich gemacht wird. 

Dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Unternehmens, Eric Coomer, werden zudem Kontakte zur Antifa nachgesagt. Texas weigerte sich wegen Manipulationsanfälligkeit, die Software zu verwenden. In 28 Staaten kam sie zum Einsatz, darunter in zahlreichen Swing States. Trump will weiter alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Biden habe die Wahl gewonnen, weil sie manipuliert worden sei, so die Position des Präsidenten. Trump fühlt sich von der Plattform Twitter, die seine Tweets nach der Wahl zensierte und teilweise löschte, ebenso verraten wie von seinem einstigen Haussender Fox News. Besonders die Entscheidung des Fox News Decision Desk in der Wahlnacht, Biden zum Sieger im Staat Arizona zu erklären, stieß ihm sauer auf – eine Entscheidung, von der man nach Kenntnis des Endergebnisses (beide Kandidaten trennen in dem Staat nur 10.000 Stimmen) zumindest vermuten kann, daß sie politisch motiviert war. 

Zwei mögliche Entwicklungen für die Zeit nach dem 20. Januar, dem Tag, an dem Biden mutmaßlich als 46. Präsident vereidigt wird, zeichnen sich ab. Trump denkt laut Medienberichten derzeit über die Schaffung eines neuen konservativen Fernsehsenders in Konkurrenz zu Fox News nach. Auch eine erneute Kandidatur 2024 gilt nicht als ausgeschlossen.