© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Im Haus der Europäischen Geschichte – Žižek statt Jaspers
Kein Platz für die Freiheit
(wm)

Zusammen mit Martin Heidegger, Nicolai Hartmann und Max Scheler bildete Karl Jaspers (1883–1969) das Quartett der „großen“ deutschen Denker der Zwischenkriegszeit. Und auch nach 1945 war er, unterwegs zur „Morgenröte der Weltphilosophie“, als Philosoph, mehr aber mit publizistischen Interventionen präsent, zur „Schuldfrage“, zur Wiederbewaffnung oder mit Zeitdiagnosen zur Zukunft der Bundesrepublik. Von diesem Einfluß als Praeceptor germaniae, so zieht Otfried Höffe die Bilanz des im vorigen Jahr weitgehend unbeachtet gebliebenen 50. Todestages (Zeitschrift für philosophische Forschung, 2/2020), sei wenig übrig. Tiefgreifende Veränderungen der philosophisch-politischen Diskurse hätten dazu geführt, daß man heute seinen Namen in Vorlesungsverzeichnissen „so gut wie vergeblich“ suche. Eine Amnesie, die von herben Orientierungsverlusten zeuge, wie man sie auch im 2017 von der EU eröffneten Haus der Europäischen Geschichte schmerzlich erlebe. Dort habe man sich statt vom liberalen Jaspers vom neomarxistischen „Feuilletonliebling“ Slavoj Žižek inspirieren lassen. Darum spiegele nichts den vom „europäischen Denker“ Jaspers erschlossenen „unermeßlichen Reichtum des Geistes, der Sittlichkeit, des Glaubens“ des alten Kontinents wider. Nicht nur philosophiehistorisch seien die Jahrhunderte vor 1789 überhaupt ausgefallen. Von Platon bis Wittgenstein fehlen „allzu viele große Denker“.  Žižek werde jedoch mit einem Porträt gewürdigt, ebenso „kräftig“ linke Gesinnungsgenossen, während der für Europas Tradition so fundamentale Gedanke der Freiheit in diesem EU-Museum nicht vorkomme. 


 www.klostermann.de