© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Rückkehr des weißen Mannes zur politischen Macht
Lateinamerikas Geldaristokratie
(wm)

Weltweit durchleben wir derzeit eine historisch nie dagewesene soziale Polarisierung. Seit 2015 verfügt das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung über mehr Reichtum als der gesamte Rest.“ Diese Globalisierungskritikern nicht ganz neue Erkenntnis erweitert Olaf Kaltmeier, Professor für Iberoamerikanische Geschichte in Bielefeld, um eine verblüffende Facette: In Lateinamerika sei die Anzahl der Milliardäre gerade in der Amtszeit von Linksregierungen zwischen 2008 und 2016 massiv von 420 auf 560 gestiegen (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 10/2020). Auch seien dortige Milliardäre, deren Hyperreichtum hauptsächlich auf Landbesitz fuße, überproportional vermögender als anderswo. Dank linker Regierungen, die sich statt auf Erbschaftssteuer oder Agrarreform auf „Unterstützungsprogramme für die unteren Klassensegmente“ beschränkten, die sie aus dem Rohstoff-Boom finanzierten. Die soziale Kluft habe sich dadurch noch weiter vertieft. Was paradoxerweise den politischen Aufstieg der antidemokratischen Geldaristokratie in Brasilien, Paraguay, Honduras und zuletzt in Bolivien begünstigte. Damit einher gegangen sei die „Rückkehr des weißen Mannes“ und „ein Ende der neoliberal-multikulturellen Anerkennungspolitiken“, die es bis 2016 indigenen Gemeinschaften ermöglichten, sich als „Marktsubjekte und Staatsbürger zu etablieren“. 


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