© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/20 / 27. November 2020

Der Euro ist derzeit das weltweit meistgenutzte Zahlungsmittel
Das Greshamsche Gesetz
Joachim Starbatty

Bürger schützt eure Vermögen, es droht Inflation, sagen die einen; alles Panikmache, der Euro ist das weltweit meistgenutzte Zahlungsmittel, sagen die anderen. Laut einer Statistik des Zahlungsnetzwerks Swift haben die auf Euro lautenden Zahlungen einen weltweiten Anteil von 37,8 Prozent gegenüber dem Dollar mit 37,6 Prozent. Hat also das Vertrauen in den Euro allen Unkenrufen zum Trotz sogar zugenommen?

Eine Rückbesinnung auf das Greshamsche Gesetz – benannt nach Sir Thomas Gresham (1519–1579), Finanzberater der englischen Monarchie – klärt uns auf. Es besagt, daß das schlechte Geld das gute Geld verdrängt. Hatte damals der Münzherr beschlossen, aus seinem Schlagschatz an Silber oder Gold die doppelte Menge an Münzen ausprägen zu lassen, so liefen zwei unterschiedliche Sorten um – voll ausgeprägte und minderwertige Münzen. Die Menschen erkannten rasch den Unterschied. Sie horteten die vollwertigen Münzen und versuchten die minderwertigen rasch wieder loszuwerden. Man kann also aus dem Anstieg von Zahlungen in Euro nicht schließen, daß das weltweite Vertrauen in den Euro gestiegen ist.

Entscheidend für das Vertrauen in eine Währung sind die Transaktionen beim weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistungen. Und hier folgt der Euro dem Dollar in weitem Abstand: Der Anteil in Dollar beträgt 85,6 Prozent, der des Euro 7,3 Prozent. Die Zentralbanken halten ihre Währungsreserven zu 60 Prozent in Dollar und zu 20 Prozent in Euro. Als es den Euro noch nicht gab, hielten die Notenbanken ähnlich hohe Reserven in D-Mark. Und was läßt sich aus dem Greshamschen Gesetz heute für die Zukunft des Euro lernen? Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) durch ihre „lockere Geldpolitik“ für eine Geldschwemme sorgt, so bleibt dieser „Münzbetrug“ für den normalen Bürger zunächst verborgen. Papier ist Papier.

Aber ist Münzbetrug nicht ein ungerechtes Urteil über das, was die EZB tut? Sie kann darauf verweisen, daß Nullzinspolitik und Geldmengenvermehrung der Stabilisierung der Eurozone und der Überwindung der schädlichen Folgen der Corona-Pandemie dienen. Doch auch der mittelalterliche Münzherr konnte seinen Münzbetrug mit der Notwendigkeit der Landesverteidigung rechtfertigen. Wenn vom Münzbetrug gesprochen wird, so wird nicht auf die Motive abgestellt, sondern auf den Vorgang der ungehemmten Geldvermehrung selbst.

Die inflationären Folgen sind bei uns zunächst auf den Immobilienmärkten zu spüren. Hier beginnt die Flucht in die Sachwerte. Die meisten Menschen unterliegen dagegen noch der Geldillusion: Euro bleibt Euro. Die Flucht aus dem Euro beginnt, wenn die Menschen das Vertrauen in ihn verloren haben.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.