© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Justin Trudeau. Kanadas Premier gibt den politisch korrekten Primus der westlichen Welt.
Der Oberstreber
Michael Paulwitz

Aus der Nato austreten, Blumen pflücken und die Natur genießen“, das soll er tun. Ja, das wäre schon die „richtige Perspektive“, schmeichelt Kanadas Premierminister Justin Trudeau in den Hörer. Bis ihm endlich dämmert, daß er gar nicht mit der Heiligen Greta vom Klimaschutz plaudert – zwei russische Youtuber haben ihn nun mit einem Telefonstreich bloßgestellt.

Steht der Oberstreber mal mit roten Ohren da, feixt die ganze Klasse. Natürlich nur verhalten, Trudeau ist schließlich Liebling aller selbsternannten Anständigen diesseits und vor allem jenseits des Atlantiks – ja, so etwas wie ein kleiner Anti-Trump. 

Bei der Unterhauswahl 2015 holte er aus dem Stand die absolute Mehrheit und zeigte, wie man mit Popstar-Image und der Attitüde eines Musterknaben der Politischen Korrektheit Wahlen gewinnt. Trudeau lieferte, was die globalistische Linke erfreut: „Willkommens“-Politik für echte und falsche syrische und afghanische Flüchtlinge, eine Eloge auf den verstorbenen sozialistischen Diktator Fidel Castro, Cannabis-Legalisierung und „Klimaschutz“-Gelübde im Duett mit Angela Merkel. Er wurde Dauergast bei Homosexuellen-Paraden und tat sich mit einer tränenreichen Entschuldigung bei Lesben, Schwulen und Transgendern hervor, womit er es auf die Titelseite eines führenden Szenemagazins schaffte. Eine hübsch progressive Fünfzig-Prozent-Frauenquote im Kabinett durfte ebenfalls nicht fehlen.

Alles kein Problem für den bald 49jährigen Familienvater und Unternehmersohn, dessen Vater Pierre Trudeau schon Premierminister war. Justin kommt mithin aus wohlsituierten Kreisen, wo man sich salonlinkes Gutmenschentum leisten kann.

Der Allesrichtigmacher-Lack hat trotzdem tiefe Kratzer. Schon die Wiederwahl 2019 stand im Schatten eines Luxusurlaubs beim Milliardär Aga Khan sowie Korruptionsvorwürfen, die ihn als jemanden dastehen ließen, der sich hinter den Kulissen nicht an die Moral hält, die er davor zur Schau trägt. Und letzten Monat mußte Trudeau ein Mißtrauensvotum wegen angeblicher Vetternwirtschaft überstehen.

Wegen des ausgegrabenen Vorwurfs sexueller Belästigung in Jugendjahren entschuldigte er sich pflichtschuldigst, obgleich er sich, wie er später offenbarte, gar nicht für schuldig hält. Als er eine junge Diskutantin auf offener Bühne über korrekten Gender-Sprachgebrauch belehrte, nannten das selbst ihm gewogene Kritiker „pseudofeministische Besserwisserei“. Und dann auch noch „Blackfacing“! Trudeau geißelte sich öffentlich – weil er vor  19 Jahren als Aladin geschminkt auf ein Kostümfest ging.

Da mag er noch so demütig vor „Black Lives Matter“ auf die Knie fallen – so „woke“, also „rassismusbewußt“, wie der buntlinke Rigorismus es heute verlangt, kann keiner sein ganzes Leben lang gewesen sein. Wer auf diesem glatten Parkett die Primaballerina spielt, fällt eben irgendwann auf die Nase.