© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Ländersache: Rheinland-Pfalz
Wie Harz an der Tanne
Christian Schreiber

Im Herbst fallen bekanntermaßen die Blätter. Das paßt zu einer Affäre in Rheinland-Pfalz besonders gut, weil zwei Spitzenpolitiker der Grünen ihren Posten bald los sind. Vergangene Woche kündigte Umweltministerin Ulrike Höfken an ihren Sessel nun doch zum Jahresende zu räumen. Bis dahin hatte sie einen Rücktritt noch abgelehnt (JF 49/20). Mit der Ministerin muß auch Staatsekretär Thomas Griese gehen. 

Für die Grünen, die so vieles besser machen wollten als die einstigen Volksparteien, ist dies besonders peinlich. Denn transparent ging es im Umweltressort nicht unbedingt zu. Schon im August kam das Oberverwaltungsgericht in Koblenz zu der Einschätzung, Beförderungen im Umweltministerium seien von „Willkür“ geprägt, das verfassungsrechtliche System der Bestenauslese „gänzlich unterlaufen“ worden. Die Richter hatten der Beschwerde einer Beamtin stattgegeben und die Beförderungspraxis im Umweltministerium als „grob rechtswidrig“ bezeichnet. Dabei ging es um den Verzicht auf Ausschreibungen und auf eine Beurteilung von Beamten bei einer Beförderung. So wurde es im Ministerium, wie sich später herausstellte, über Jahre hinweg in mindestens 150 Fällen praktiziert.

Monatelang sorgte die Affäre in Rheinland-Pfalz für Schlagzeilen und für eine schwere Belastungsprobe in der rot-grün-gelben Regierungskoalition unter Malu Dreyer (SPD). Denn trotz des eindeutigen Richterspruchs klebten Höfken und ihr Staatsekretär mehr als drei Monate an ihren Ämtern wie Harz an einer Pfälzer Tanne. Die mit Müh’ und Not zusammengewurschtelte Koalition hat im Mainzer Landtag nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Einem möglichen Abwahlantrag wollten die beiden Grünen dadurch entgehen, daß sie zu Beginn der vergangenen Woche ankündigten, ihre Ämter unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl am 14. März kommenden Jahres zum Ende der Legislaturperiode niederlegen zu wollen. 

Doch der CDU als größter Oppositionspartei reichte das nicht aus. Fraktionschef Christian Baldauf bestand auf dem Mißtrauensantrag, der am vergangenen Freitag hätte verhandelt werden sollen. In Journalisten-Kreisen kursierte das Gerücht, nicht alle Koalitionsparlamentarier würden zu hundert Prozent hinter dem Skandal-Duo stehen. Besonders der FDP sagte man nach, sie führe den Dolch im Gewande. Eine Abstimmungsniederlage im Parlament hätte Dreyers Koalition kurz vor Beginn des Wahlkampfs quasi platzen lassen. Die SPD-Politikerin habe mächtig Druck ausgeübt, um die beiden Grünen zum Rücktritt zu bewegen, heißt es. Denn die sind sich nach wie vor keiner Schuld bewußt. „Wir bedauern die Fehler, die bei Beförderungen in unserem Haus passiert sind, zutiefst und haben diese im Sinne des Oberverwaltungsgerichts umgehend korrigiert“, hieß es von Höfken und Griese. Man weise allerdings die „öffentlich erhobenen Vorwürfe der Parteipatronage entschieden zurück“.

Ob dies reicht, um den Aufklärungshunger der Opposition zu stillen? Die beiden angehenden Ex-Politiker sind 64 beziehungsweise 65 Jahre alt. Ihre politische Karriere befand sich ohnehin schon im Spätherbst. CDU-Mann Baldauf möchte nun von der Regierung wissen, ob auch in anderen Ministerien auf eine Ausschreibung verzichtet worden sei. Der Wahlkampf hat begonnen.