© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Die unendliche Geschichte des Wirecard-Milliardenbetrugs
Verschwinden und Versagen
Martin Krüger

Die gute Nachricht: Das Kerngeschäft und die Wirecard-Bank übernimmt die spanische Banco Santander samt vielen Mitarbeitern. Die schlechte Nachricht für Gläubiger und Dax-Aktionäre: Weitere 800 Millionen Euro Treuhandvermögen sind wohl „verschwunden“, meldete das Handelsblatt. Neben dem untergetauchten Ex-Vorstand Jan Maršálek stehen nun offenbar 13 Personen und 24 Firmen aus seinem Umfeld im Zentrum des Betrugsnetzes. Sie sollen rund 125 Millionen Euro Kredit von Wirecard bekommen haben. Der 40jährige Maršálek soll zudem weltweit Bargeld gebunkert haben – das Gegenteil dessen, was man von einem Zahlungsdienstleister erwartet.

Und die hochbezahlten Wirtschaftsprüfer haben von all dem nichts mitbekommen? Man habe keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten erkennen können, sagt Ernst & Young. Der Untersuchungsausschuß des Bundestages und die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas bezweifeln das. Aber auch KPMG gerät in ein schiefes Licht. Zwar hat der EY-Konkurrent den Wirecard-Betrug offengelegt, allerdings dabei nicht erwähnt, wie stark man selbst engagiert war, als Wirecard den Emerging Markets Investment Fund 1A (EMIF) in der Steueroase Mauritius startete.

Maršálek und andere Manager könnten mit Hilfe des Fonds einen dreistelligen Millionenbetrag abgezweigt haben. Der dahinterstehende Deal mutet kurios an: 2015 wollte Wirecard auf den indischen Markt expandieren. Der Markteintritt erfolgte über 320 Millionen Euro für das Unternehmen Hermes I Tickets Pvt Ltd. Allerdings ging die Firma kurze Zeit davor für nur 35 Millionen Euro über den Ladentisch. Käufer war der EMIF-Fonds. Fragen wirft weiter die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf. Die Bundesbank äußerte früh Bedenken gegen ihr Leerverkaufsverbot auf Wirecard-Aktien. Sie konnte sich damit aber bei der deutschen Finanzaufsicht nicht durchsetzen.