© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Frisch gepresst

1870/71. Daß Hermann Pölking Geschichte in epischer Breite fesselnd erzählen kann, hat er mit seiner 900seitigen „Biographie einer Provinz“ (2011) bewiesen. Die in diesem Umfang konkurrenzlose Darstellung der Geschichte Ostpreußens von der Ordenszeit bis zur sowjetischen und polnischen Okkupation im Frühjahr 1945 dokumentiert allerdings auch des Autors nicht minder großes, wenngleich weniger zu rühmendes Talent, sich unkritisch modischen Deutungen, etwa der vom „multiethnischen“ Ostpreußen, anpassen zu können. In seiner jetzt im gewohnten Format vorgelegten Geschichte des, wie er zu Recht beklagt, „aus dem kollektiven Bewußtsein verschwundenen“ Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 mischt sich daher wiederum „weltoffener“, diesmal EU-seliger Internationalismus mit sachlicher, phantastisch faktenreicher Vergegenwärtigung des politischen und militärischen Geschehens. Pölking lehnt sich dabei an das den modernen Roman von Marcel Proust bis Arno Schmidt auszeichnende „Verfahren der vielpersonigen Bewußtseinsspiegelung“ (Erich Auerbach) an, um den alltäglichen Ausnahmezustand der Kriegswirklichkeit in wechselnder Beleuchtung zu erhellen. Den Stoff dafür gewinnt er aus der bis 1914 in erstaunlicher Fülle erschienenen Erinnerungsliteratur, deren reichen französischen Anteil Pölking hier erstmals einer deutschen Leserschaft erschließt. (ob)

Hermann Pölking, Linn Sackarnd: Der Bruderkrieg. Deutsche und Franzosen 1870/71. Herder Verlag, Freiburg 2020, gebunden,  686 Seiten, Abbildungen, 38 Euro





Enteignungsopfer. Die Festschrift der Aktionagemeinschaft Recht und Eigentum, die seit 25 Jahren für die Anliegen der von Sowjets und SED Enteigneten streitet, beginnt mit einem Zitat, das im konkreten Fall wohl einen Grundirrtum darstellt: „Recht geht vor Macht – und nie umgekehrt“ schrieb Maximilian Graf v. Schwerin-Putzar an Bismarck. Helmut Kohl und seine politischen Erben sollten das Gegenteil beweisen. Um mit dem unrechtmäßig erworbenen Eigentum die Einigungskosten zu finanzieren, schreckte Helmut Kohl nach 1990 auch nicht vor Lügen (Bedingung der Sowjets zur Einheit) zurück. Letztlich konnten sich die Alteigentümer auch vor europäischen Gerichten nicht durchsetzen, die vor der Macht kapitulierten. (bä)

Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum e.V.: Festschrift. 25 Jahre im Einsatz für den Rechtsstaat. Eigenverlag, Neustadt/Dosse 2020, broschiert, 89 Seiten, Spende erbeten