© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Kabinenklatsch
Schalke auf Rekordjagd
Ronald Berthold

Als Statistik-Freak rufe ich mir seit einigen Wochen immer mal wieder die Spieltags-Tabellen der Fußballbundesliga-Saison 1965/66 auf. Damals wurde das bemitleidenswerte Tasmania 1900 von den Torfluten überrollt. Die Berliner stellten einen Negativ-Rekord nach dem anderen für die Ewigkeit auf. Dachte ich zumindest.

Denn jetzt wird es spannend. Das erfolgloseste Team aller Zeiten hatte am 9. Spieltag als Letzter ein Torverhältnis von 6:28 und drei Punkte. Und jetzt schauen Sie mal auf den aktuellen Stand nach neun Partien. Was Sie dort sehen, ist für mich als Tabellen-Fan wie der Halleysche Komet für einen Astronomen: Das derzeitige Schlußlicht, Schalke 04, hat 55 Jahre später exakt dasselbe Torverhältnis und ebenfalls drei Punkte.

Wer diese Kolumne regelmäßig liest, weiß, daß ich mich schon gegen Ende der vergangenen Saison auf den Abstieg der Gelsenkirchener festgelegt und vor sieben Wochen die erste Parallele zu Tasmania gezogen habe. Wobei man den Tasmanen zugute halten muß, daß sie im Vergleich zu Schalke einen Mini-Etat hatten und ihre drei Punkte heute vier wären. Damals gab es für einen Sieg nur zwei und nicht drei Zähler.

Es reicht, daß sich Neukölln zum Synonym für eine multikriminelle Gesellschaft entwickelt hat.

Schalke steht also noch schlechter da als die armen Neuköllner, die der DFB damals völlig unvorbereitet wegen des Ausschlusses von Hertha BSC als Vertreter West-Berlins in die Bundesliga hievte. Nun braucht es noch sechs Spiele ohne Sieg, damit S04 den scheinbaren Ewigkeitsrekord von Tas bricht: 31mal am Stück nicht gewonnen.

Am Wochenende geht es gegen Leverkusen. Sollten die Pillendreher ihren Gegner nicht total unterschätzen und Eigentore am Fließband produzieren, dürften es bei meiner nächsten Kolumne nur noch fünf Partien sein. Egal, ob ich Schalke nun mag oder nicht: Ich bin nicht nur ein Tabellenfreak, sondern auch ein Rekordfan. Außerdem freue ich mich, wenn die Kicker aus meinem Heimatbezirk nicht immer als die Super-Loser herhalten müssen. Es reicht, daß sich Neukölln zum Synonym für eine multikriminelle Gesellschaft entwickelt hat.