© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Knall von Magdeburg
Im Streit um den Rundfunkbeitrag droht der CDU eine dauerhafte Geiselhaft durch Rot-Grün
Kurt Zach

Der Aufstand findet nicht statt. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrags wird im Magdeburger Landtag gar nicht erst abgestimmt. Zwar ist die Erhöhung der Rundfunk-Zwangsgebühr zum 1. Januar damit vorläufig gestoppt und der Reformbedarf der öffentlich-rechtlichen Sender unübersehbar geworden. Dennoch ist es ein fauler Kompromiß, mit dem Ministerpräsident Reiner Haseloff in letzter Minute die Notbremse gezogen hat: Die CDU hat sich davor gedrückt, mit Rückgrat zu ihrer Position zu stehen; und sie ist wieder einmal der Gretchenfrage ausgewichen, ob sie eine von vielen linken Parteien bleiben oder auch für Machtperspektiven rechts der Mitte anschlußfähig werden möchte.

Denn es ist, entgegen allen Behauptungen, keineswegs eine „AfD-Falle“, mit der die Union sich in Sachsen-Anhalt in die Zwickmühle gebracht hat. SPD und Grüne, die zusammen nicht einmal ein Sechstel der Wähler vertreten, haben der CDU eine Grube gegraben, indem sie das im Koalitionsvertrag festgehaltene Bekenntnis zur Beitragsstabilität einfach über Bord geworfen haben.

Die massiven Versuche, die CDU-Fraktion zum Umfallen zu bewegen, weil sie im Falle der Prinzipientreue mit der AfD gestimmt hätte, offenbaren ein bedenkliches Maß an Demokratieverachtung. Die Richtigkeit einer Position kann sich nicht daran bemessen, ob sie von einer politischen Kraft geteilt wird, die man mit allen Mitteln zum Aussätzigen erklären will. Den Koalitionsbruch hätten nach den Gesetzen der Logik zudem SPD und Grüne zu verantworten gehabt, weil sie im Fall des Falles bereit waren, mit der oppositionellen „Linken“ gegen die ursprüngliche Koalitionsvereinbarung zu stimmen.

Daß Ministerpräsident Haseloff sogar den CDU-Landesvorsitzenden und Innenminister Holger Stahlknecht, der genau das klargestellt hatte, aus seinem Kabinett warf, um die Aufkündigung der schwarz-rot-grünen „Kenia-Koalition“ zu vermeiden, dokumentiert das Ausmaß der Abhängigkeit, in die sich die CDU gegenüber dem linken Lager begeben hat. Man darf davon ausgehen, daß hinter den Kulissen auch beträchtlicher Druck aus Berlin auf die Sachsen-Anhalt-Union ausgeübt wurde. Die Causa Stahlknecht riecht geradezu nach einem zweiten „Fall Kemmerich“: Wer aus dem linken Einheitsblock ausschert, der wird geächtet und in die Wüste geschickt.

Die Entlassung Stahlknechts schafft allerdings nicht die grundsätzliche Schwäche der Magdeburger Regierungskoalition aus der Welt. Diese beruht auf der Prämisse, um jeden Preis die zweitstärkste Fraktion im Parlament von der Macht fernzuhalten. Sie entspricht nicht dem Willen der Wähler, die mehrheitlich nicht-links gewählt haben. Daß die Union sich auf das Prinzip „mit allen, nur nicht mit der AfD“ festnageln läßt, gibt SPD und Grünen ein Gewicht weit jenseits ihrer Bedeutung und erlaubt ihnen, faktisch die politische Linie zu bestimmen.

Es geht also um die Verteidigung politischer Hegemonie. In diesem Gefüge spielt der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine zentrale Rolle. Dessen vorgebliche „Staatsferne“ hat der Konflikt in Magdeburg gerade eindrucksvoll widerlegt. Nahezu die gesamte politische Elite hat sich dafür in die Bresche geworfen, den Staatsvertrag durchzuwinken.

Die stärksten rhetorischen Geschütze haben gerade die Grünen aufgefahren, deren Vorsitzender Robert Habeck das Zustandekommen der Gebührenerhöhung geradewegs zu einer Frage von Sein oder Nichtsein der deutschen Demokratie erhob. Verwundern muß das nicht: Schließlich sind die Grünen diejenige politische Kraft, die am meisten von der Programmgestaltung in ARD, ZDF und Deutschlandfunk profitiert.

Ihr Personal ist in den politischen Gesprächssendungen Dauergast und weit überrepräsentiert, ihre Themen dominieren die Programmgestaltung vom politischen Magazin bis zum Unterhaltungsfilm und zur Vorabendserie. Daß öffentlich-rechtliche Journalisten mehrheitlich mit grünen oder linken Positionen sympathisieren, ist schon seit Jahren kein Geheimnis. Beim selbstherangezogenen Nachwuchs, hat jüngst eine Umfrage unter den Volontären der öffentlich-rechtlichen Sender ergeben, sind diese Neigungen geradezu monokulturell – über 90 Prozent würden Grüne, SPD oder Kommunisten wählen.

Das Interesse, ein solches Propagandainstrument in der Hand zu behalten und noch weiter auszubauen, liegt offen zutage. Die „nur 86 Cent“ pro Monat und Haushalt, auf die man die Gebührenerhöhung gerne reduziert, summieren sich zu einem stattlichen Betrag: Rund 400 Millionen Euro im Jahr – zusätzlich zu den gut acht Milliarden Euro, die der teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunk der Welt derzeit sowieso schon kostet.

Bezahlen müssen dafür alle. Auch diejenigen, deren Meinung in den zwangsfinanzierten Programmen so gut wie nie vorkommt oder allenfalls als Objekt der Denunziation. Auch diejenigen, die als Hoteliers, Gastronomen, Gewerbetreibende wegen der Corona-Maßnahmen faktisch ohne Einkommen dastehen. Ihnen mitten in der Krise auch noch höhere Abgaben aufzuzwingen, obwohl sie um ihre Existenz kämpfen und von den Programmen oftmals gar nicht mehr erreicht werden, zeugt von gefährlicher Arroganz und Abgehobenheit. Einsparpotentiale bei den Sendern gäbe es indessen reichlich.

Der Magdeburger Rundfunkstreit könnte zum Anlaß werden, die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ernsthaft in Angriff zu nehmen. Je länger die politisch Verantwortlichen und Mediengewaltigen die wiederaufflammende Debatte darüber ignorieren, desto gründlicher und schneller wird die Delegitimierung des hypertrophen und durchideologisierten Zwangsgebührenfunks voranschreiten.