© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Die Liebe eifert nicht
Prozeß gegen Theologen: Ein Bremer Gericht hat den evangelischen Pfarrer Olaf Latzel wegen Volksverhetzung verurteilt / „Feindseligkeit gegen Homosexuelle“
Gernot Facius

Der Fall des jüngst wegen Volksverhetzung  zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.100 Euro verurteilten Bremer Pastors Olaf Latzel geht in die nächste juristische Runde – vielleicht wird er sogar bis zum Bundesverfassungsgericht getragen. Latzel und sein Verteidiger Sascha Böttner haben gegen das Amtsgerichtsurteil Berufung eingelegt; jetzt liegt die Sache beim Landgericht der Hansestadt.  

Latzel, Pfarrer der evangelischen St. Martini-Kirche in Bremen, hatte am 19. Oktober 2019 in einem später auf seinem Youtube-Kanal (knapp 25.000 Abonnenten) verbreiteten Eheseminar vor 30 Paaren von Homosexualität als „Degenerationsform von Gesellschaft“ gesprochen und gesagt, überall liefen „die Verbrecher rum vom Christopher Street Day“. Der „ganze Genderdreck“ sei „satanisch“. Das verunsichere Menschen, zerstöre Zivilisation und Kultur. Homosexualität sei vor Gott todeswürdig und ein Greuel. „Das wird nicht rausgehauen über den Äther, also übertragen“, versprach Latzel – allerdings wurde die Aufnahme ein halbes Jahr später mit seiner Einwilligung verbreitet. Von Anwalt Böttner wurde im Prozeß ausführlich dargelegt, daß mit „Verbrechern“ die Täter gemeint waren, die die Reifen am Auto des Angeklagten zerstochen und die Kirche beschmiert hatten. Zudem wurde auf einem Schaukasten der Schriftzug „God ist gay“ (zu deutsch: „Gott  ist schwul“) angebracht.

Doch die Richterin bezeichnete allein die Äußerungen des Pastors als Stimmungsmache. Sie könnten emotional Gewalt gegen Homosexuelle begründen. Die Argumentation der Verteidigung, der Beschuldigte verurteile aus biblischer Sicht Homosexualität, aber nicht Homosexuelle, ließ sie nicht gelten: „Die sexuelle Ausrichtung eines Menschen macht einen Teil seiner Persönlichkeit aus.“ Eine „Katastrophe“ nannte Latzels Verteidiger den Richterspruch, er könne zu einem „Einfallstor zur Beschränkung der Meinungsfreiheit“ werden. Für den Vorsitzenden der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in der evangelischen Kirche, Pastor Ulrich Rüß, ist die Gerichtsentscheidung „ein politisches Urteil in einem politischen Prozeß“. „Ein glattes Fehlurteil“, kommentierte auch das evangelikale Magazin Idea. Denn das Bundesverfassungsgericht habe mehrmals betont, daß die Meinungsfreiheit auch zugespitzte und polemische Äußerungen schütze.

„Weitreichend vom Glauben entfernt“

Doch mit dem Satz „Gott haßt die Sünde, aber liebt den Sünder“ können die meisten Menschen heute nur wenig oder gar nichts mehr anfangen. „Auf den Ton kommt es an“, kommentierte deshalb das evangelikale Medienmagazin Pro, das nicht unbedingt zu den Latzel-Gegnern zählt. Viele Evangelikale und auch die katholische Kirche verträten konservative Ansichten in der Homosexuellen-Frage: „Sie tun das aber sachlich, wertschätzend und empathisch und verzichten auf Beleidigungen. Wer lautstark und wortgewaltig über Homosexuelle herzieht, schwört damit natürlich seine Anhänger ein, schreckt aber Außenstehende – vielleicht für immer – ab.“ Es ist seit langem kein Geheimnis mehr, daß Kirchenmitglieder, was das Homo-Thema angeht, nicht einer Meinung sind. Die einen sehen in dem Bremer Pfarrer einen „Haßprediger“, der zu Recht verurteilt wurde. Andere meinen, nun würden auch Christen verfolgt, nur weil sie sich an der Bibel orientierten. 

Sollte die Causa Latzel zu einem jahrelangen Rechtsstreit führen, dürfte dieser die Spaltung nur befeuern. Dabei ist selbst manchem journalistischen Beobachter des Bremer Konflikts nicht ganz wohl. So schrieb die linke taz, heikel an dem Verfahren sei, daß es das Grundrecht auf Religionsfreiheit berühre. Daß die Staatsanwaltschaft befand, Latzel habe sich mit seinem Versuch, eine feindselige Haltung gegen gleichgeschlechtliche Menschen zu erzeugen, „weitreichend vom evangelischen Glauben entfernt“, nannte das Blatt „problematisch“. Denn eine solche Feststellung könne nicht staatlichen Institutionen obliegen. Gerichte seien nicht dazu da, weltanschauliche Konflikte auszutragen. Aber auch die Bremer Richterin wollte, wie sie sagte, vor dem Hintergrund eines ihrer Meinung nach rauher werdenden gesellschaftlichen Klimas ein Zeichen setzen.

Der nächste Akt in der Causa Latzel: Die Leitung der Bremischen Evangelischen Kirche will Mitte Dezember über Konsequenzen aus dem Urteil beraten. Ein Disziplinarverfahren gegen den 1967 geborenen Pastor, den die Zeit einen Star der evangelikalen Szene nennt und die Bild-Zeitung einmal als „Pöbel-Pastor“ titulierte, wurde bereits eingeleitet. Es ist aber bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt. Und davon kann bislang nicht die Rede sein.