© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Ländersache: Saarland
Jogginghosenträger und Alkoholiker
Christian Schreiber

Die Linkspartei im Saarland müßte eigentlich der Vorzeigeverband der Post-Kommunisten im Westen sein. Nirgendwo sonst erzielt die Partei bei Wahlen auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik zweistellige Ergebnisse. Das liegt vor allem an der immer noch vorhandenen Popularität des ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten und späteren Linken-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Doch der ist schon 77 Jahre alt. Als Fraktionsvorsitzender im Landtag beschränkt er sich auf gelegentliche öffentlichkeitswirksame Auftritte. Ansonsten läßt er arbeiten. Doch nun meldete sich der Altmeister plötzlich wieder zu Wort. In der Landespartei gebe es „dringenden Aufklärungsbedarf“. Noch immer geht es um einen Streit aus dem Jahr 2017. Auf dem Parteitag in Klarenthal soll es damals durch den Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze zu Manipulationen bei der Aufstellung der Bundestagsliste der Saar-Linken gekommen sein. 

Der ehemalige Landesgeschäftsführer Dennis Bard hat in der vergangenen Woche beim Landesschiedsgericht der Partei Lutzes Parteiausschluß beantragt und neue Belege vorgelegt. Man muß dazu wissen, daß sich Lafontaine und Lutze spinnefeind sind. Schon vor Jahren bezeichnete „der Alte“ seinen Nachfolger wenig schmeichelhaft als „Dünnbrettbohrer“. Nun wurde „Oskar“ auch noch schnippisch. Es gebe halt zwei Abteilungen in der Saar-Linken. „Das eine ist die Fraktion, das ist die Abteilung Wählergewinnung. Die andere ist der Landesverband, die Abteilung Wählervertreibung.“  

Die Hauptvorwürfe gegen den Saarbrücker Lutze stammen aus dem Kreisverband Saarlouis. Der dortige Kreisvorsitzende Mekan Kolasinac gab eine eidesstattliche Versicherung ab, daß Lutze versprochen hatte, jedem Mitglied, das Kolasinac für ihn gewinnen konnte, 50 Euro zu geben. Daraufhin habe Kolasinac etwa 120 Wähler für den Parteitag im Jahr 2017 organisiert. Offenbar hat das gut funktioniert. Dem Parteitag, dem aus Lafontaines Umfeld bescheinigt wird, es sei ein Schaulaufen von „Jogginghosenträgern und Alkoholikern“ gewesen, folgte ein jahrelanges juristisches Tauziehen. Und Erfahrungen mit der Justiz haben so einige der Saar-Linken. 

Lutzes Gefolgsfrau Andrea Neumann aus dem Kreisverband Neunkirchen soll ebenfalls in den Stimmenkauf involviert gewesen sein. Ihr Ehemann stand vor Monaten in der Presse, weil er einen falschen Titel geführt haben soll. Und Lafontaine-Anhänger Kolasinac scheint ebenfalls kein Ehrenmann. Vor gut zwei Jahren schaffte er es bundesweit in die Medien, als er den Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger via Facebook als „falschen, hinterlistigen Juden“ bezeichnete. 

Als der Skandal öffentlich wurde, berief sich Kolasinac auf sein nicht perfektes Deutsch. Er habe Judas schreiben wollen. Dem Landesvorstand reichte das als Entschuldigung. Kolasinac durfte bleiben. Nur unter „Bauchschmerzen“ hatte die Landeswahlleiterin die Saar-Linken übrigens zur Bundestagswahl im September 2017 zugelassen. Es stünde halt Aussage gegen Aussage. Aber es gebe Anzeichen, daß dem mutmaßlichen „Stimmvieh“ sogar noch der Stift geführt worden sei. Lafontaines launiger Kommentar damals: Lutzes Anhänger seien wohl zu voll zum Schreiben gewesen. Die Auseinandersetzung wird nicht nur vor Gericht weitergehen. Im Frühjahr wird die neue Landesliste gewählt. Lutze wird wieder antreten.