© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Ja, ich bin Populist!
Rechtsparteien Europas: Hat Corona sie zerrieben? Wo sind die Rechten stark, wo haben sie Probleme? Ein aktueller JF-Überblick
Curd-Torsten Weick

Ob Handelsblatt, Nordwest-Zeitung oder Mainpost – deutsche Medien sind sich größtenteils einig: „Schlechte Zeiten für Europas Rechtspopulisten“ titeln sie und verweisen darauf, daß FPÖ, Lega & Co. in jüngster Zeit – unter anderem auch wegen Corona, – Federn gelassen hätten. Doch stimmt das wirklich so pauschal?

 Sicher, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) fiel durch das Fehlverhalten ihres allgegenwärtigen Ex-Parteichefs Heinz-Christian Strache auf ihre Stammwählerschaft zurück, konnte jedoch vor einigen Wochen den freien Fall stoppen und liegt laut einer aktuellen Umfrage von oe24 mit 13 Prozent vor den Grünen (zehn Prozent).

Auch Matteo Salvinis Lega fällt seit ihrem Austritt aus der italienischen Regierung in der Wählergunst. Doch Gior­gia Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia (FdI), fängt die Verluste der Rechten auf. Beide Parteien würden in einer Koalition 40 Prozent der Wähler hinter sich vereinen.

Ähnlich verhält es sich in den Niederlanden. Das „rechte Wunderkind“ Thierry Baudet unterschätzte Antisemitismus-Vorwürfe in der Jugendorganisation seines Forums für Demokratie (FvD) und sackte auf vier Prozent. Doch in dem Maße, in dem die FvD verlor, gewann Geert Wilders ebenfalls rechte PVV und liegt nun mit 23 Prozent auf Platz zwei. 

Interessant ist auch die Situation bei unseren nördlichen Nachbarn, in Dänemark, wo die alteingesessene Dänische Volkspartei (DF) mit den Neuen Bürgerlichen (Nye Borgerlige) konkurriert. In Spanien und Portugal können sich die neu gegründeten Rechtsparteien Vox (Stimme) und Chega („Es reicht“) etablieren. Besonders erfolgreich sind zur Zeit die Finnenpartei (PeruS) und der Vlaams Belang (VB), die in Finnland und Belgien stärkste politische Kraft sind.

„Lösungen für die Probleme des 21. Jahrhunderts“

„Der Rechtsnationalismus ist in Eu-ropa überhaupt nicht abgeschrieben, im Gegenteil“, betont auch Vlaams-Belang-Chef Tom van Grieken gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.  Die Lösungen, die diese Parteien anböten, seien die einzig richtige Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts: Masseneinwanderung, Überfremdung und Globalisierung. Die Bevölkerung, so der 34jährige weiter, habe „genug von den Lügen“ und der „Nicht-Regierung“ der traditionellen Parteien. Dank der sozialen Medien könne man direkt mit den Bürgern kommunizieren, auch wenn das durch die zunehmende Zensur erschwert werde. Vor allem sei es wichtig, daß der Vlaams Belang jedem Flamen, der Probleme habe, auch zuhöre. „Diese Kombination ist Gold wert“, so van Grieken. 

Auch der Generalsekretär der Partei der wahren Finnen, Simo Grönroos, spricht der JF gegenüber diese Hauptprobleme an: Die Europäer stünden der Masseneinwanderung, der europäischen Integration und den Auswirkungen des Klimawandel-Alarmismus, welcher Arbeitsplätze und Industrie vernichte, von Tag zu Tag kritischer gegenüber. Jede Partei, die in diesen Fragen mit sachlichen Argumenten und ehrlichen Politikern Alternativen biete, werde erfolgreich sein, betont der 37jährige. 

Die JF hat sich unter den rechtspopulistischen Parteien Europas in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer sowie der Fraktion Identität und Demokratie umgesehen, wie sie sich seit der EU-Wahl 2019 entwickelt haben. Eher konservative Parteien wie die polnische PiS sparen wir in dieser Betrachtung aus. Auch die ungarische Fidesz unter Ministerpräsident Viktor Orbán ist dabei nicht enthalten, da sich der „Ungarische Bürgerbund“ nach wie vor in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) wiederfindet.





Dänemark

Dänische Volkspartei (DF)

Die Politik der DF unter Kristian Thulesen Dahl steht nach eigenem Anspruch unter dem Motto „Gott, König und Vaterland“, wodurch die Partei mehr als alle anderen Fraktionen mit dänischen Werten verbunden wird. Die Sozialpolitik der 1995 gegründeten Formation (etwa 16.000 Mitglieder) ist sozialdemokratisch ausgerichtet. Als Koalitionspartner legte sie strengere Regeln in Hinblick auf „nichtwestlichen Zuzug“ und den Familiennachzug fest. (mp)





Spanien

VOX

Die 2013 gegründete Partei entstand als Abspaltung der christdemokratischen Spanischen Volkspartei (PP). Sie steht unter dem Vorsitz von Santiago Abascal Conde für mehr Zentralisierung und wendet sich strikt gegen katalanische oder baskische Autonomiebestrebungen. Sie spricht sich gegen Abtreibungen sowie Ehen unter gleichgeschlechtlichen Paaren aus, kritisiert den Multikulturalismus, ist aber offen für eine Einwanderung aus Lateinamerika. (mp)





Frankreich

Rassemblement National (RN)

Die Partei sieht sich selbst als Bewahrer der Werte „Identität, Tradition und Souveränität“. Seit der Gründung 1972 ist sie stark von der Familie Le Pen beeinflußt. Im Juni 2018 hatte Le Pen durchgesetzt, die Partei in „Rassemblement National“ („Nationale Sammlungsbewegung“) umzutaufen. Ziel war es, durch Aufgabe des für viele belasteten Namens neue Wählerschichten zu erreichen, um auf Dauer im französischen Mehrheitswahlrecht regierungsfähig zu werden. (mp)





Finnland

Die Finnen (PeruS)

Die 1995 als „Wahre Finnen“ (PS) gegründete Partei geriet 2017 in Turbulenzen, als sich nach der Wahl des neuen Vorsitzenden Jussi Halla-aho ein Teil der Fraktion im Reichstag abspaltete, hat sich aber bis zur Wahl 2019 auf Platz zwei zurückkämpfen können. Die PS decken das klassische Themenfeld ab: rechts (für Asylrechtsverschärfung), etwas christlich (gegen gleichgeschlechtliche Ehe), etwas links (Anhebung der Steuer auf Kapitalgewinne). (ru)





Schweden

Schwedendemokraten (SD)

Die Partei unter dem Vorsitz von Jimmie Akesson entstand aus der Bürgerrechtsbewegung „Bewahrt Schweden schwedisch“. Die SD betrachten die Integrationspolitik im Land als gescheitert. Die SD stehen vor dem größten internen Zerwürfnis ihrer Geschichte. Es droht der Bruch zwischen SD und ihrer 5.100 Köpfe starken Jugendorganisation aufgrund des Vorwurfs gegen diese, sie würde Kontakte zu „externen extremistischen Parteien“ knüpfen.  (mp)





Österreich

Freiheitliche Partei Österreichs

Die 1950 gegründete FPÖ verzeichnete durch zuwanderungskritische und sicherheitsbetonte Themen in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs an Wählern und Mitgliedern. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 entfiel die Hälfte der Stimmen auf den freiheitlichen Kandidaten und jetzigen Parteivorsitzenden Norbert Hofer. Sie war an der Regierung beteiligt, fiel aber aufgrund des Ibiza-Skandals um den Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache in der Wählergunst stark. (mp)





Italien

Lega (L)

Ursprünglich kommt die Lega aus dem Norden Italiens. Hier forderte sie seit der Gründung 1989 wiederholt die Abspaltung der wohlhabenden Regionen. Sie unterstützt in den jeweiligen Regionen den Erhalt der Traditionen und Dialekte und tritt für Föderalismus ein. Der Parteichef Matteo Salvini war 2018 bis 2019 Innenminister. Die Lega erhält mit ihrer scharfen Sicherheits- und Migrationspolitik auch aus dem Süden der Republik Zuspruch. (mp)





Niederlande

Partei für die Freiheit (PVV)

Die Geert-Wilders-Partei tritt für einen Anti-Islam-Kurs ein. Die PVV versteht sich selbst als nationalliberal und fordert einen Einwanderungsstopp für Moslems sowie ein Verbot des Korans. Wirtschaftlich will sie weniger Abgaben an die EU, geringere Investitionen in Windkraft und mehr Geld für Kernkraftwerke. Wilders ist ihr einziges Mitglied. Damit solle verhindert werden, daß die Formation übernommen wird. (mp)





Deutschland

Alternative für Deutschland

Die 2013 gegründete Partei stieg zwischenzeitlich zur drittstärksten Partei im deutschen Bundestag auf. Vorsitzende der Partei sind Jörg Meuthen und Tino Chrupalla. Die Partei vertritt nationale, konservative, freiheitliche und euro-skeptische Werte. (mp)





Belgien

N-VA

Die Neuflämische Allianz strebt eine Unabhängigkeit Flanderns an. Die Partei sieht sich in der politischen Mitte und widmet ihr Streben einem „humanitären Nationalismus“. Sie ging 2001 aus der 1954 gegründeten Volksunion hervor. (mp)





Belgien

Vlaams Belang (VA)

Der Vlaams Belang (VB) ist Regionalpartei des germanischsprachigen Landesteils Flandern unter dem 34jährigen Tom Van Grieken. Die Partei ging 2004 aus dem vormaligen Vlaams Block hervor. Hauptpunkt ist ihr Kampf für eine unabhängige flämische Republik. Sie setzt sich für ein Abtreibungsverbot ein und fordert ein höheres Kindergeld. (mp)





Italien

Fratelli d’Italia (FdI)

Die Brüder Italiens treten für ein Europa der Nationen ein und wollen auch Italien aus dem Euro führen. Die Parteichefin Giorgia Meloni sprach sich auch schon für einen kompletten Austritt aus der EU aus. Die FdL wollen die Einwanderung begrenzen und Familien fördern. (mp)





Niederlande

Forum für Demokratie (FvD)

Das Forum für Demokratie war unter ihrem Gründer Thierry Baudet in den Umfragen zwischenzeitlich stärkste Kraft. Der Jurist und EU-Kritiker wollte, das „Parteien-Kartell“ durchbrechen. Die Partei stürzte über Antisemitismus-Vorwürfe in der Jugendorganisation auf vier Prozent ab. Baudet läßt nun über seinen Vorsitz abstimmen. (mp)