© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Diverse Aufsichtsräte und das Pariser Klimaabkommen
Wettlauf der Opportunisten
Thomas Kirchner

Nicht mehr Marktanteile, Kunden oder Gewinnstreben stehen bei einigen Firmen an erster Stelle, sondern der Zeitgeist. So verlangt die US-Technologiebörse Nasdaq von dort notierten Unternehmen mindestens zwei „diverse“ Aufsichtsräte aus unterrepräsentierten Gruppen wie Schwarzen, Latinos oder „LGBTQ+“-Personen. Die Vorschrift muß noch von der Wertpapieraufsicht SEC genehmigt werden. Ausländische und kleinere Firmen bekommen allerdings Übergangsfristen von bis zu fünf Jahren. Dann müssen sie im Rechenschaftsbericht darlegen, weshalb die Vorgabe nicht eingehalten wird.

Das erscheint auf den ersten Blick restriktiver als die deutsche Frauenquote für Aufsichtsräte oder der Gesetzentwurf für Dax-Vorstände. Doch die Umsetzung ist flexibler, denn größere Unternehmen in Deutschland müssen Aufsichtsratsposten unbesetzt lassen, bis eine Frau gefunden oder die Quote erfüllt wird. Die Nasdaq folgt damit einem Trend, der Anfang des Jahres einsetzte, als Goldman Sachs ankündigte, kein Unternehmen mehr an die Börse zu bringen, das nicht einen diversen Aufsichtsrat hat. Sicherheitshalber ließ aber auch die New Yorker Großbank ein Hintertürchen offen.

Die Begeisterung über die zusätzliche Regulierung dürfte begrenzt sein. Die Zahl börsennotierter Unternehmen ist seit der Spitze von 8.000 in den späten 1990er Jahren auf derzeit etwa 6.000 geschrumpft. Hohe Kosten für Anforderungen einer Notierung bei gleichzeitig besserer Verfügbarkeit von Kapital für nicht-börsennotierte Unternehmen treiben Firmen in den weniger regulierten Teil des Kapitalmarkts. Gewinner könnten auch US-Regionalbörsen wie die von Miami oder Philadelphia werden, die eher ein Mauerblümchendasein fristen.

Notwendig ist die Vorschrift ohnehin nicht. Bereits 27 Prozent aller 33.000 Aufsichtsräte in den USA sind Frauen, 17 Prozent gehören einer Minderheit an. Nur elf Prozent sind überhaupt nicht divers. Es sieht also eher so aus, als wolle sich Nasdaq besonders „woke“, also aufgeklärt, präsentieren. Oder vielleicht auch einer Wiederbelebung der „Occupy Wall Street“-Bewegung zuvorkommen, die 2011/12 in den Schlagzeilen war.

So läßt sich auch die C2ES-Initiative von 42 Weltkonzernen – von Amazon, BASF und Ford bis hin zu Nestlé und Walmart – interpretieren, die Joe Biden aufforderten, dem Pariser Klima-Übereinkommen wieder beizutreten – was der ohnehin vorhat. Eine US-Ratifizierung ist heute genauso unwahrscheinlich wie unter Barack Obama, wodurch die Unterschrift mediale Symbolik bleiben wird. GM und Nissan haben sogar ihre Unterstützung für eine Klage der Trump-Regierung gegen Kaliforniens CO2-Regeln zurückgezogen. Niemand will es sich mit der Regierung Biden verscherzen.

 nasdaq.com

 www.c2es.org