© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

CD-Kritik: Rubinstein – Reinhold Quartett
Auf Ausgleich aus
Jens Knorr

Vielfältig waren die Bindungen Anton Rubinsteins (1829–1894) an Leipzig, die Stadt, in der seine musikalischen Idole Schumann, Mendelssohn und Bach gewirkt hatten. In der er als Pianist und Dirigent über 50 Jahre lang konzertierte und zuletzt noch im Dezember 1892 auftrat. Von seinen drei Streichquartetten op. 47, komponiert 1855, führte das Gewandhaus-Quartett 1856 das mittlere auf. Das Reinhold-Quartett, gegründet 1996, das sich aus Musikern des Gewandhausorchesters zusammensetzt, reicht nun die Numeros Eins und Drei nach.

Die rastlose – negativ: unbehauste, positiv: weltbürgerliche – Existenz des jüdisch-christlichen, russisch-deutschen, retrograden Zukünftlers Rubinstein scheint auch beiden Quartetten eigen. Romantischer Überschwang kaschiert die Regeln des klassischen viersätzigen Quartett-Satzes, die der Komponist jedoch im großen und ganzen befolgt.

Es hätte eines Überschusses an subversiver Energie bedurft, quasi eines illegalen Quartett-Rennens, der Musik zuzuschießen, was ihr an innovativer Kraft abgeht. Als traditionsbewußte Gewandhäusler suchen die vier des Reinhold-Quartetts jedoch eher den Ausgleich – denn die Schärfung – und ihren Romantiker als Klassiker zu behaupten. Doch allzusehr geglättet könnte leicht aus den Fingern gleiten, was dem Repertoire eben ernst gewonnen wurde.

Anton Rubinstein: Streichquartette op. 47, Nr. 1 und 3 cpo 2000  www.jpc.de  www.reinholdquartett.de