© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

„Himmlisch plaudern“
Neben Tinder und Co. werben religiöse Dating-Apps mit mehr als nur schnellen Treffen
Hermann Rössler

Dating-Apps wie Tinder (JF 18/20) reiten auf der Welle des Zeitgeistes. Digital, bedienungsfreundlich, weitestgehend kostenlos und optisch ansprechend. Über 340 Millionen Mal wurde die App heruntergeladen und stellt dabei neben Lovoo, Bumble oder Badoo nur ein Angebot dar, das in Stil und Ausführung einen hedonistischen Lebenswandel preist. Tinder funktioniert folgendermaßen: Der Nutzer sieht Profilbilder von Menschen in einem festgelegten Umkreis und wischt nach rechts oder links. Rechts steht dabei für ein „Gefällt mir“ und links für „Gefällt mir nicht“. Wischen zwei Suchende die jeweiligen Profilbilder des andern nach rechts, ist es ein „Match“. 

Die Sich-Gefallenden können chatten und ein Treffen ausmachen. Laut der Seite businessofapps.com kam durch 14 Prozent der Matches eine Ehe zustande oder wurde angestrebt. Die Zahl der daraus resultierenden Beziehungen, die ein Jahr oder länger gingen, sind unbedeutend höher. Nicht umsonst plakatierte Tinder im vergangenen Jahr auf Werbetafeln und Litfaßsäulen „Single, not sorry“. Daten als Selbstzweck.

Nun gibt es in unserer Gesellschaft der Subkulturen jedoch auch genügend Alleinstehende, die eine genauere Vorstellung in Sachen Liebe und Partnerschaft verfolgen. Beispielsweise die wachsende Minderheit der Moslems. Mit „Muzmatch“, „Salams“ oder „Hawaya“ gibt es Apps im Tinder-Format, die gläubigen Mohammedanern die Suche nach einem (Ehe-)Partner erleichtern sollen. 

Muzmatch wirbt mit dem Spruch: „Muslime daten nicht, sie heiraten.“ Passend dazu kann in der Anwendung angegeben werden, wann man sich zu vermählen wünscht. In ein bis zwei, in drei bis vier oder erst in fünf oder mehr Jahren? Auch ansonsten wartet Muzmatch mit den nötigen Zutaten auf, um eine Beziehung und das vorige Kennenlernen „halal“ (nach islamischem Recht zulässig) zu gestalten. Beim Anlegen des Profils gibt der Heiratswillige an, ob er halal lebt. Schweinefleisch und Alkohol sind „haram“ (nicht zulässig), Nikotin mindestens „makruh“ (nicht erwünscht). 

Und immerhin geht es darum, jemanden zu finden, „der deine Halal-Haram-Balance teilt“. Der Nutzer wird gefragt, welcher Richtung des Islam er angehört (Schiit, Sunnit oder andere). Findet das Gebetsleben regelmäßig, mäßig oder immer statt? Gibt es ethnische Vorlieben und steht die Option, ins Ausland zu ziehen? Frauen informieren zudem über ihren Kleidungsstil: „moderat“, Hidschab (Kopftuch), Nikab (Kopftuch mit Schleier) oder Burka (Ganzkörperbedeckung). Ein „Wali“, ein Wächter, kann eingeschaltet werden, um die Gespräche auf ihre Halal-Tauglichkeit zu prüfen.

Das Konzept scheint aufzugehen. Muzmatch rühmt sich, weltweit 60.000 Ehen auf den Weg gebracht zu haben. Die Kommentare im App-Store zeichnen eine gespaltene Bilanz. „Wäre schön, wenn man im Filter angeben könnte, ob die gesuchte Person noch Jungfrau ist.“ Ein anderer warnt: „Falle von Shaytan (Teufel).“ Abreham M. (24, Name geändert) ist praktizierender Sufi. Er habe Muzmatch und Salams genutzt, „weiterempfehlen“ würde er diese nicht unbedingt, sagt er der JUNGEN FREIHEIT. „Es waren Frauen da, die unseriös waren und nicht wirklich eine Heiratsabsicht hatten.“ Außerdem hätten einige falsche Informationen angegeben.

Doch nicht nur Moslems, sondern auch die schrumpfende Mehrheit der Christen sucht via Internet dem Allein-Sein ein Ende zu bereiten. Die christlichen Dating-Apps treten dabei in Sachen Hochzeit etwas zurückhaltender auf. Die App „Christian Mingle“ intendiert, „christlichen Männern und Frauen dabei zu helfen, eine liebevolle, auf Gott ausgerichtete Beziehung zu finden“. In dem von der Plattform betriebenen Blog „believe“ geht es neben Beziehungstips und Reflexionen über den Begriff der christlichen Liebe („Liebe ist mehr als Emotion“) auch um eine erfolgreiche Ehe.

„Christen, die nach dem Wort Gottes leben“

Vor allem von „Partnersuche“ schreibt die App „Himmlisch-Plaudern“. Die Betreiber machen aber in einem Unterpunkt deutlich: „Hier triffst du Christen, die nach dem Wort Gottes leben und in diesem ist klar beschrieben, daß die Ehe ein Bund für das gesamte Leben ist.“ Ferdinand G. (28, Name geändert) ist gläubiger Katholik und probierte vor ein paar Jahren „Himmlisch Plaudern“ aus, erzählt er der JF. Seine Kritik betrifft das Online-Dating allgemein. „Das Chatten und Telefonieren findet recht schnell auf intimer Ebene statt, obwohl man beim ersten Treffen dann vielleicht feststellt, daß es gar keine persönliche Sympathie gibt.“ Daß es für andere funktionieren kann, wisse er aber: „2017 war ich auf meiner ersten Tinder-Hochzeit zu Gast.“