© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

„Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun“
DeZIM-Institut: Der politische Einfluß des Zentrums für Migrations- und Rassismusforschung wächst weiter
Björn Harms

Als die Bundesregierung vor wenigen Wochen verkündete, den „Kampf gegen Rechts“ mit über einer Milliarde Euro in den nächsten Jahren zu intensivieren, knallten auch beim „Deutschen Zentrum für Integrations-und Migrationsforschung“ (DeZIM-Institut) in Berlin-Mitte die Sektkorken. Kein Wunder, schließlich wird das 2017 gegründete Zentrum in Stichpunkt 49 des Maßnahmenkatalogs explizit erwähnt. Das DeZIM-Institut soll demnach langfristig ausgebaut und gestärkt, „die Projektmittel dauerhaft erhöht werden“. Dabei fließen die Fördermittel bereits jetzt reichlich. 

Die Gründung wurde 2017 mit lediglich 185.000 Euro vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bezuschußt. Ein Jahr später erhielt das Zentrum 3,5 Millionen Euro, 2019 bereits 4,2 Millionen Euro. Nach 8,6 Millionen Euro im Jahr 2020 sind für 2021 ganze 9,7 Millionen Euro bewilligt, um Forschung, aber auch Politikberatung in Sachen Migration, Integration und (Anti-)Rassismus zu leisten.

Damit hat sich DeZIM, das sieben wissenschaftliche Institute in sich vereint, endgültig zur wichtigsten Instanz in der deutschen Migrations- und Rassismusforschung entwickelt. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Soziologin Naika Foroutan ein, die seit 2017 als Direktorin des DeZIM-Instituts tätig ist. Die gewiefte Netzwerkerin hat einen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie auch das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) leitet, das wiederum eines der Gründungsinstitute von DeZIM ist.

Humboldt-Universität als Rekrutierungspool

Tatsächlich gleicht DeZIM einer gigantischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Soziologen, Politologen, Psychologen und Gender-Studies-Absolventen der HU, die nur wenige Straßen entfernt liegt. 45 von 98 auf der Internetseite aufgeführten wissenschaftlichen Mitarbeitern sind entweder an der HU tätig, haben dort promoviert oder zumindest studiert. Fast immer kommen sie vom Institut für Sozialwissenschaften, an das auch Foroutans Lehrstuhl angegliedert ist. Und die ideologische Stoßrichtung des sozialwissenschaftlichen Instituts an der Humboldt-Universität ist bundesweit berüchtigt.

Die 48jährige Foroutan und der Großteil ihrer Mitarbeiter am DeZIM-Institut nehmen in der Öffentlichkeit eine Art Aktivistenrolle ein, um den „strukturellen Rassismus“ in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu bekämpfen. Als Anhänger der „Critical Race Theory“ (siehe Seite 14) verorten sie Rassismus nicht (nur) individuell, also von Mensch zu Mensch, sondern beschreiben ihn als „Dominanzstruktur“, die als System „sowohl intentional als auch nicht-intentional auf einer institutionellen und strukturellen Ebene über Generationen wirkt, Personen oder Gruppen benachteiligt und sie aus zentralen gesellschaftlichen Prozessen ausschließt“, wie Foroutan es in einem Aufsatz für die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte formulierte.

Sind mit diesen Prämissen die Ergebnisse der DeZIM-Forschung vorgezeichnet? „Selbstverständlich ist keine objektive Migrationsforschung möglich, wenn man gar keine objektive Migrationsforschung anstrebt“, meint die Migrationssoziologin Heike Diefenbach im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. 

Die These vom angeblich vorhandenen „strukturellen Rassismus“ werde ja „in aller Regel nicht kritisch getestet“, also notwendigerweise alternativen Thesen gegenübergestellt, zum Beispiel differentiellen Leistungen, „die Migrationsbewegungen oder Aspekte der Integration“ ebenfalls erklären könnten. Die These vom strukturellen Rassismus biete „vielmehr den Rahmen, innerhalb dessen festgelegt wird, was überhaupt betrachtbar ist und wie das Betrachtete interpretiert wird“. 

Diefenbach veranschaulicht das mit einem einfachen Bespiel: „Das ist eine Übung aus dem schulischen Deutschunterricht der Art ‘Interpretieren Sie die folgende Kurzgeschichte aus der Sicht der Suffragetten im industriellen England!’, durch die man zeigen kann, wie hübsch man die vorgegebenen Prämissen schlucken und auf die unschuldige Umwelt zurückreflektieren kann. Aber das hat nichts, aber auch gar nichts mit Wissenschaft zu tun.“

Wenn aber klar ist, daß wir in Deutschland ein breitgestreutes rassistisches Problem haben, welche Forderungen leiten Foroutan & Co. dann daraus ab? Der derzeitige Status quo jedenfalls scheint trotz Fördergeldern in Millionenhöhe unbefriedigend. Es geht darum, den politischen Einfluß zu vergrößern. 

Foroutan lobte zwar den Maßnahmenkatalog der Bundesregierung als einen „großen Schritt in die richtige Richtung“. Doch der genüge nicht. Um die Forschung zu Rassismus in Deutschland zu stärken, müßten „entsprechende Professuren geschaffen werden“, so die 48jährige. „Ein Ministerium, das sich allen zentralen Belangen unserer Einwanderungsgesellschaft widmet, wäre ebenfalls ein echter Meilenstein.“ Ist das vielleicht schon mit der nächsten Regierungskoalition ab 2021 möglich? 

Kürzlich diskutierte Foroutan in einem Livestream mit SPD-Chefin Saskia Esken und Grünen-Chef Robert Habeck über die Möglichkeit eines solchen Antirassismusministeriums mit eigenem Budget und Haushalt. Die beiden Politiker zeigten sich aufgeschlossen, versprachen in jedem Fall den Kampf gegen Rassismus bei einer Regierungsbeteiligung zu einem Hauptanliegen zu machen. Und Foroutan hat bereits klare Vorstellungen, wie dieser Kampf auszusehen hat. Helfen soll ein großangelegtes antirassistisches Umerziehungsprogramm für die autochthone Bevölkerung: „Mit Pluralität umgehen zu können ist keine Selbstverständlichkeit“, erklärte sie bereits im April 2017 im Interview mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Bei vielen pegelt es sich durch die Alltagskontakte ein, bei vielen – vor allem bei denen, die diese Erfahrungen nicht machen – aber auch nicht. Also muß man das beibringen, so wie wir in Deutschland es durch das große Reeducation-Programm der Alliierten beigebracht bekommen haben, nicht mehr so antisemitisch zu sein wie vor dem 8. Mai 1945.“

Auch das nächste große Projekt des DeZIM-Insituts könnte die Rufe nach einem verstärkten Kampf gegen Rassismus intensivieren. Der Bundestag hat das DeZIM-Institut damit beauftragt, einen Rassismusmonitor zu erstellen. Als Leiter der Forschungsgruppe fungiert der Diplom-Sozialwirt Cihan Sinanoglu, der bis vor kurzem als Öffentlichkeitsreferent der Türkischen Gemeinde in Deutschland arbeitete. 

Er stellt auf Twitter seine Ideologie ganz offen zur Schau. „Antifa im Kiez schützt mehr als Polizei“, schrieb er am 18. Juni. Zehn Tage später hieß es: „Supportet eure lokalen Antifa-Gruppen.“ Rassismus sei, wie er in einem Interview klarstellte, „keine Frage von ein paar Nazis und der AfD, sondern ist tief verankert in der Mitte der Gesellschaft“. Die Ergebnisse des Rassismusmonitors dürften somit kaum überraschen.

Natürlich kommt diese ganze Entwicklung nicht aus dem Nichts. Seit Jahren netzwerken entsprechende Lobbygruppen, um in der Politik Fuß zu fassen. Eine zentrale Rolle nahm dabei Aydan Özoguz (SPD) in ihrer von 2013 bis 2018 ausgeübten Funktion als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration ein. Sie förderte jene Netzwerke und arbeitete beispielsweise eng mit dem BIM zusammen, begrüßte die Gründung des DeZIM-Instituts, hofierte weitere Migrantenorganisationen wie die „Neuen Deutschen Medienmacher“ der Journalistin Ferda Ataman. So entwickelte sich in ihrer Amtszeit ein undurchsichtiges Netzwerk aus Vereinen und Initiativen, die personell eng verflochten sind.

Die Geschäftsführerin des DeZIM-Instituts, Yasemin Shooman (für die „Islamisierung stoppen“ das moderne „Ausländer raus!“ darstellt), sitzt etwa im Beirat des „Center for Intersectional Justice.“ Dessen Präsidentin, die US-Amerikanerin Kimberlé Crenshaw, ist eine der führenden Denkerinnen der „Critical Race Theory“. 

Die ebenfalls in Berlin-Mitte ansässige linksradikale NGO gründete sich mit Hilfe von Geldmitteln aus der Open Society Foundation von George Soros, der Hertie-Stiftung und der Berliner Guerrilla Foundation und kooperiert gleichzeitig mit der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht. DeZIM-Direktorin Naika Foroutan gründete mit Hilfe der Mercator-Stiftung und der HU Berlin 2011 die Junge Islam-Konferenz, die auch von 2019 bis 2024 mit rund 1,5 Millionen Euro von Mercator ausgestattet wird. Zusätzlich engagiert sich hier die Schwarzkopf-Stiftung.

Impulspapier von 2016 zeigt den Weg

Die Forderungen und Erwartungen, die sich in den nächsten Jahren institutionalisieren könnten, sind bereits 2016 in einem Impulspapier unter der Schirmherrschaft von Aydan Özoguz von verschiedenen Migrantenorganisationen festgehalten worden: Zunächst soll im  Grundgesetz verankert werden, daß Deutschland ein „vielfältiges Einwanderungsland“ ist. Eine entsprechende Formulierung findet sich mittlerweile bereits im Grundsatzprogramm der Grünen. Hierfür sollen die gesetzlichen Antidiskriminierungsregeln auf „Ethnizität und positive Diskriminierung“ ausgeweitet werden. 

Des weiteren sollen Migrantenorganisationen „in Prozesse der interkulturellen Öffnung eingebunden“ werden und mehr Fördermittel erhalten. Dies ist im jetzigen Maßnahmenkatalog der Bundesregierung ausdrücklich vorgesehen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll in Gesetzesvorhaben eingebunden werden. Und ein weiterer entscheidender Punkt: Quoten für „Menschen mit Einwanderungsgeschichte“. Ob die nächste Bundesregierung dem Folge leisten wird?