© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Blick in die Medien
Wer will hier enthaupten?
Tobias Dahlbrügge

Die Bundesregierung macht sich daran, die vergangenes Jahr von der EU beschlossene Reform des Urheberrechts in nationales Recht umzusetzen (JF 36/20). Doch gegen den Entwurf laufen Zeitungen und das Anstaltsfernsehen Sturm. Die FAZ spricht sogar von einer „Enthauptung“ der Lokalpresse.

Der Furor dreht sich um diesen Passus: Es soll erlaubt sein, bis zu 20 Sekunden eines Films, 20 Sekunden einer Tonspur, 250 KB einer Bilddatei oder tausend Zeichen eines Textes zu nichtkommerziellen Zwecken öffentlich wiederzugeben.

Speziell die 1.000-Zeichen-Ausnahme vom Urheberschutz werde die Lokalpresse „vernichten“, schreiben FAZ, Welt und andere. Das geplante Gesetz sei eine „Lizenz zum Raubüberfall“! (FAZ) Gegen die freie Verwendung von 20 Sekunden Musik verfaßten rund 500 Musiker und Bands einen Protestbrief an den Bundestag, unter anderem unterzeichnet von „Feine Sahne Fischfilet“.

Werke müßten vor ungefragter Nutzung „durch Neurechte“ geschützt werden.

Das Problem der Zeitungen: Ihr analoges Geschäft erodiert, das digitale Geschäft werde ihnen nun von Google und Facebook zerstört, wenn Kurztexte – und das seien bei Lokalblättern eben die meisten – im Internet gepostet werden dürften.

Erst haben die Verlage das Problem der Gratiskultur im Internet jahrzehntelang verschlafen, jetzt schreien sie nach Uploadfiltern, die das Zitieren – aber auch das Parodieren und Karikieren – ihrer Inhalte unterbinden. Ihre Forderung: die Zeitungszustellung solle  subventioniert werden, da die Austräger als „demokratiefördernde Infrastruktur förderwürdig“ seien, so der Präsident des Presseverlegerverbands, Mathias Döpfner (Springer).

Die unterzeichnenden Musiker des Band-Briefes an die Abgeordneten führen übrigens als Argument unter anderem an, daß die ungefragte Nutzung ihrer Werke „durch Neurechte“ verhindert werden müsse.