© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Lehrvideos für Nörgler
Youtube: Durch die interna­tionale Brille betrachtet, macht Deutschland eine gute Figur
Boris T. Kaiser

Derzeit gibt es einen Trend im Netz, sich in kleinen, selbstgedrehten Filmbeiträgen mit der Kultur, der Sprache und den Eigenarten der verschiedenen Länder auf der Erde zu beschäftigen. Auch Deutschland ist immer wieder Thema von Reiseerfahrungen oder sogenannter „Reaction Videos“, in denen die Macher auf Land und Leute reagieren.

Beim Ansehen der Clips kann einem schnell das Wortbild von den „stillen Tagen im Klischee“ in den Sinn kommen, das der Journalist und Kabarettist ­Martin Buchholz einst zum Titel eines seiner satirischen Bücher machte. Wobei es in den Youtube-Videos, gemäß des auf der US-Plattform üblichen Stils, natürlich eher schrill als still zugeht, was den Klischees aber keinen Abbruch tut. Bier und Bratwurst gehören für die jungen, internationalen Deutschlandberichterstatter genauso selbstverständlich zu den Deutschen wie Mülltrennung, Fahrradwege und die innige Liebe zu ihren Hunden.

Sich über diese klischeehafte Darstellung aufzuregen wäre, im negativen Sinne, klischeehaft deutsch und außerdem unnötig. Grund zu meckern hat man als Deutscher im übrigen auch deshalb nicht, weil das Bild, das die meisten der jungen Videomacher von Deutschland und seinen Menschen haben und verbreiten, ein absolut positives ist.

Wenn zum Beispiel der in Amberg lebende US-Veteran Kris auf seinem Youtube-Kanal „Soldier of Life“ über seine Wahlheimat und die Gründe, warum er hier lebt und nie wieder weg will, spricht, macht der Afroamerikaner das in einer unverkennbaren Liebe und geradezu herzergreifenden Begeisterung, mit der man sich als deutscher Patriot schnell den Vorwurf einfangen würde, man fröne einem übersteigerten Nationalstolz. Wobei solche Vorwürfe oft von den eigenen Landsleuten kommen. Solche Kandidaten könnten sich „getriggert“ fühlen, wenn zum Beispiel der Kanal „Geography Now“ in seiner „Deutschland“-Folge augenzwinkernd warnt: „Glutenfreie Vegetarier aufgepaßt. Schau dieses Video auf eigene Gefahr.“

Die Reaktionen sind größtenteils positiv

Viele Menschen, die Deutschland aus der Ferne oder als Gast kennenlernen durften, haben dagegen kein Problem damit, in den höchsten Tönen von „Germany“ und den „Germans“ zu schwärmen. Dies gilt natürlich insbesondere dann, wenn sie einen deutschen Lebenspartner gefunden haben. Auf ihrem gemeinsamen Youtube-Kanal Deana and Phil berichten die US-Amerikanerin und ihr deutscher Freund über ihr binationales Beziehungsleben. Vor allem die kulinarischen Eigenheiten und Tücken der deutschen Aussprache werden von dem Paar in Videos wie „German Food Tour“ oder „Speaking only German to my American Girlfriend for 24 Hours“ liebevoll auf die Schippe genommen.

Neben deutschem Essen und Humor ist vor allem die deutsche Sprache eines der Top-Themen, die auf der Videoplattform zu finden sind. So zeigen beispielsweise die Kanäle von James Bray oder DreadLock Squad die Reaktionen von Amerikanern, Briten, Jamaikanern und Angehörigen anderer nicht-deutschsprachiger Nationalitäten, die zum erstenmal in ihrem Leben Deutschrap hören. 

Darüber, ob die 187 Straßenbande die besten Sprach- und Kulturbotschafter sind, ließe sich sicherlich trefflich streiten. Die Reaktionen der internationalen Hörer sind aber bei weitem nicht so negativ, wie viele es vielleicht erwarten würden.

Sogar die hierzulande oft gescholtene Bundeswehr bekommt auf Youtube gute Reaktionen. Auf dem „Combat Arms Channel“ setzt sich ein Ex-US-Marine mit Einsatztruppen aus der ganzen Welt auseinander. In Deutschland läßt er unter anderem dem KSK und dem Seebataillon viel kameradschaftliche Zuneigung und Soldatenehre zukommen. 

Deutsche Patrioten dürften ihre wahre Freude an dem Respekt und der Anerkennung haben, die die Youtuber ihrem Heimatland zukommen lassen. Für die vielen ewigen Nörgler der Bundesrepublik könnten die Clips gar als Lehrvideos dienen, mit denen sie begreifen können, daß Deutschland auch und gerade durch die internationale Brille betrachtet gar nicht so schlecht ist.