© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 53/20 / 01/21 25. Dezember 2020

Ewig der Gründeridee verpflichtet
Wirtschaftspolitik: Die „Stiftung Verantwortungseigentum“ will einen nachhaltigen Unternehmenstyp schaffen
Dirk Meyer

Eigentum ist Voraussetzung und wirtschaftliche Basis für die Ausübung von Freiheitsrechten. Das erkannte schon John Locke (1632–1704), der englische Wegbereiter der Aufklärung und „Vater des Liberalismus“. Eigentum ermöglicht unternehmerische Freiheit und seine Mehrung. Das Prinzip Haftung für Entscheidungen sichert die sinnvolle und effiziente Verwendung des Vermögens. Der marktwirtschaftliche Wettbewerb sozialisiert die unternehmerischen Anstrengungen, indem Leistungsgewinne durch Konkurrenz in Preissenkungen münden.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, das verlangt Artikel 14 des Grundgesetzes. Den Dreiklang von Eigentum – Freiheit – Haftung spiegeln die rund ein Dutzend Rechtsformen für Unternehmen wider, von der AG über die Genossenschaft bis zur OHG. Die EU ermöglicht seit 2004 sogar eine Societas Europaea (SE/„Europäische Aktiengesellschaft“). Doch in der Praxis gibt es auch kurzfristige Profitinteressen, die Abschöpfung von Vermögenszuwächsen durch den Verkauf von Start-ups oder Finanzinvestoren, die mit ihrer „Hit and Run“-Strategie schnelle Gewinne erwirtschaften – was nicht nur die grüne „Generation Nachhaltigkeit“ kritisch sieht.

Eine „Fähigkeiten-und Wertefamilie“

Deshalb hat die Berliner „Stiftung Verantwortungseigentum“ einen Gesetzentwurf für eine GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt. Zu den Gründungsmitgliedern gehören nicht nur Mittelständler aus dem Bio-Sektor und die „ökologische“ GLS Bank, sondern auch bekannte Namen wie Alnatura, die BMW-Foundation oder die saarländische Globus Holding. Zum Kuratorium zählen SPD-, Grünen- und FDP-Politiker und gern zitierte Ökonomen wie Marcel Fratzscher (DIW), Michael Hüther (IW Köln) und Lars Feld (Chef des „Rats der Wirtschaftsweisen“), die sonst selten einer Meinung sind.

Die Grundidee ist: Im Mantel einer GmbH soll eine Kapitalgesellschaft als VE-GmbH entstehen, deren Anteilseigner in vier wesentlichen Rechten eingeschränkt werden: der freien unternehmerischen Entscheidung, der freien Gewinnverwendung, der freien Disposition über das Vermögen sowie der Teilhabe am Erlös im Falle eines Unternehmensverkaufes.

In dieser Zwitterstellung zwischen einer GmbH und einer gemeinnützigen Stiftung dürfte das wohlgemeinte „Unternehmen in Verantwortungseigentum“ jedoch weder überlebensfähig noch gesellschaftlich von Nutzen sein. Zwei Strukturmerkmale kennzeichnen die VE-GmbH: eine Vermögenssperre und die Weitergabe der Firmenverantwortung an eine „Fähigkeiten- und Wertefamilie“. Die dauerhafte Vermögensbindung (Asset-lock) schließt einen Anspruch der Gesellschafter auf Entnahmen, Gewinnausschüttungen und den Vermögenserlös bei Auflösung oder Verkauf der VE-GmbH aus.

Bei Ausscheiden eines Anteilseigners oder bei einem Verkauf wird lediglich die Einlage zurückgezahlt. Bei einem Familienunternehmen ist die langfristige Eigenständigkeit und Firmenverantwortung an eine „genetische Eigentümerfamilie“ gebunden. Die wird nun durch eine „Fähigkeiten- und Werteverwandtschaft“ ersetzt, die die „Vision“ der Firmengründer (etwa Bio-Lebensmittel, Bücher über nachhaltige Lebensweise, Naturtextilien) an die nachfolgenden Generationen überträgt und damit sichert. Dabei wird allerdings keine Beschränkung auf einen gemeinwohlförderlichen Zweck wie bei einer gemeinnützigen Stiftung verlangt.

Zugang zum Kapitalmarkt erheblich erschwert

Kann dieses „Verantwortungseigentum“ funktionieren? Mit dem Gesellschaftsrecht läßt sich die Einsetzung fähiger, werteorientierter Gesellschafter keinesfalls sicherstellen. Zudem kann der Zweck einer VE-GmbH satzungsgemäß jederzeit neu formuliert werden. Aus einem Demeter-Hof mit Viehhaltung kann dann ein „veganes“, aber gentechnisches Versuchsgut werden. Dies unterscheidet sie von einer Stiftung, bei der etwa die Verfolgung gemeinnütziger Aktivitäten oder die Familienversorgung vom Stifter verbindlich vorgegeben wird.

Als Wachstumsbremse dürfte die Vermögenssperre wirken, denn kaum ein neuer Eigenkapitalgeber wird eine Einlage vornehmen und dabei seine Ansprüche auf den Vermögenszuwachs für ewig aufgeben. Da die Geschäftsanteile auch nicht als Sicherheiten für eine Fremdfinanzierung verwendet werden können, ist der Zugang zum Kapitalmarkt erheblich erschwert. Der wesentliche Punkt ist die Trennung von Verfügungsbefugnis (Managemententscheidungen) und wirtschaftlicher Berechtigung (Kapital-/Gewinnentnahme). Das verhindert einen Verkauf nach China oder an einen US-Hedgefonds, aber auch, daß die Früchte eigener Arbeit angeeignet werden können. Damit fehlt es an Investoren, die die VE-GmbH in verantwortlicher Weise kontrollieren. Mangels Gewinninteresse entfallen Anreize für eine nachfragegerechte, effiziente Erstellung von Leistungen. Es besteht vielmehr die Gefahr, daß Manager und Beschäftigte ein Eigeninteresse auf Kosten des Gründerkapitals verfolgen: hohe Gehälter, beste Arbeitsbedingungen oder unnötige Firmenwagen.

Eine staatliche Aufsicht wie bei Stiftungen ist nicht vorgesehen. Über Darlehen, Nutzungsüberlassungen und stille Beteiligungen zu marktwidrig überhöhten Konditionen kann die Gesellschaft ausgesaugt werden – Klienteleigentum statt Verantwortungseigentum. Die VE-GmbH ähnelt dem mittelalterlichen „Fideikommiß“, mit dem der Adel sein Familienvermögen vor dem Zugriff nachfolgender Generationen schützte. Was fortschrittlich daherkommt, ist in Wahrheit ein Konstrukt feudaler Zeiten und bindet künftige Generationen.

Die Initiatoren des „Verantwortungseigentums“ mögen gute Absichten im Sinn haben. Jedoch fehlt dem Gesetzentwurf ein Blick auf den real existierenden, eigennützigen Menschen. Vor allem an ihm scheiterte auch der 1958 begonnene „Dritte Weg“ der „Selbstverwaltung der Wirtschaft durch die Produzenten“ in den Großbetrieben des blockfrei-sozialistischen Jugoslawien. Und Unternehmen wie Bosch oder Zeiss sind mit ihrer Stiftungskonstruktion viel besser gefahren.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.





Verantwortungseigentum (VE-GmbH)

In Deutschland gibt es über 1,15 Millionen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH). 25.000 Euro Mindeststammkapital begründen das Recht, die Firma zu führen, Gewinne zu entnehmen und den Liquidationserlös beim Verkauf einzustreichen. Die Haftung beschränkt sich auf die Höhe des Gesellschaftskapitals. Gemeinnützige Stiftungen gibt es etwa 23.000. Ein oder mehrere Stifter gründen sie mit einer Kapitaleinlage. Sie legen den zumeist gemeinnützigen Stiftungszweck – für die Zukunft weitgehend unveränderbar – fest. Das Kapital wird in als sicher geltenden Anlagen gebunden; lediglich die Erträge dürfen dem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden. Es gibt eine staatliche Stiftungsaufsicht und besondere steuerrechtliche Prüfungen. Die VE-GmbH will beides künftig verbinden: Die Unternehmensführung erfolgt durch den Gründer und später die nachfolgende „Fähigkeiten- und Wertefamilie“. Es gibt keine Gewinnentnahmen und Steuerersparnis, aber auch keine staatliche Aufsicht. (dy)

stiftung-verantwortungseigentum.de