© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 53/20 / 01/21 25. Dezember 2020

Eine grüne Herzensangelegenheit
Abgespeckte EEG-Novelle verabschiedet / Ökostrom dient vorerst noch nicht der „öffentlichen Sicherheit“
Marc Schmidt

Die grünen Lieblingsprojekte von Union und SPD kann auch Corona nicht stoppen: Kabinett, Bundestag und Bundesrat nickten vor Weihnachten die achte Reform des Erneuer­bare-Energien-Gesetzes (EEG) ab. Damit kann die Neufassung des Ökostromgesetzes zum 1. Januar 2021 in Kraft treten – genau 30 Jahre später als das einstige Stromeinspeisungsgesetz, mit dem Union und FDP den Weg zum weltweit höchsten Strompreis ebneten.

Wie bei den vorherigen EEG-Novellen gibt es zwei Hauptpunkte: Zum einen wird die Förderung von Wind- und Solarstrom für die Bürger und „nicht privilegierte“ Firmen erneut teurer; nur für „stromkostenintensive Unternehmen“ mit guter Lobby gilt weiter eine preissenkende „besondere Ausgleichsregelung“: 2020 waren das 2.051 Firmen – von Aalberts Surface Treatment im Erzgebirge über die Deutsche Bahn, die KFS Biodiesel Köln und Saarstahl bis zu ZWS Recycling in Regensburg.

Zum anderen werden Punkte korrigiert, die rechtlich fragwürdig sind oder dem Ziel des EEG-Kapazitätsausbaus widersprechen. Die Große Koalition beschließt die Reform in dem Wissen, daß sie bereits im Frühjahr Nachverhandlungen über die EEG-Ausbauziele führen muß, weil die EU unter deutscher Ratspräsidentschaft verschärfte Klimaziele (JF 52/20) beschlossen hat. Deutschland kann mit dem gleichzeitigen Atom- und Kohleausstieg das Brüsseler 55-Prozent-CO2-Minderungsziel nicht einhalten.

Wenn nun daher der Ausbau von Wind- und Solaranlagen verstärkt wird, steigt der Subventionsbedarf für diese Erzeugungskapazitäten weiter. Die EEG-Umlage sinkt mit der aktuellen Reform aber von 6,756 auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde, ab 2022 sollen es nur noch sechs Cent sein. Doch die Übertragungsnetzbetreiber prognostizieren schon für 2021 einen EEG-Gesamtzahlungsanspruch von 34 Milliarden Euro.

Dem stünden prognostizierte Vermarktungserlöse an der Strombörse in Höhe von rund 7,2 Milliarden Euro für den erneuerbaren Strom gegenüber, so die Bundesnetzagentur. Es fehlen also 26,8 Milliarden Euro – das sind 323 Euro 

pro Kopf, vom Baby bis zum Greis. Die nun gedeckelte EEG-Umlage, die jeder über seine Stromrechnung (plus Mehrwertsteuer) bezahlt, reicht dafür natürlich nicht aus. Deshalb gibt es einen EEG-„Bundeszuschuß“: Elf Milliarden Euro sind für diesen Haushaltstrick veranschlagt – und die fallen in der coronabedingten Nettokreditaufnahme von fast 180 Milliarden Euro kaum auf.

Naturschützer verhindern radikale „Lex Windenergie“

Ein weiteres Beispiel für die widersinnige Verselbständigung des Systems liefert der Umgang mit Anlagen, deren Förderungen nach 20 Jahren auslaufen. Diese ineffizienten Solarpanels und Windräder wurden wegen der hohen Subventionssätze des Jahres 2000 innerhalb von zwei Jahrzehnten bis zu 30mal refinanziert. Damit diese abgeschriebenen Anlagen nicht aus den „grünen“ Kapazitätsstatistiken herausfallen, wird ihr Weiterbetrieb mit noch mehr EEG-Zwangsgeld unterstützt.

Diese Altanlagen speisen weiter bevorzugt ein, der Netzbetreiber muß diesen Strom annehmen und zahlt zunächst bis 2027 den Marktpreis abzüglich einer geringen Verwaltungspauschale. Wer also unter den Umweltministern Jürgen Trittin oder Sigmar Gabriel eine heute veraltete Anlage auf seinem Dach montiert hat, muß sich vorerst nicht um Einspeisetechnik, Vermarktung oder Verträge kümmern, dies zahlen die „nicht privilegierten“ Stromkunden über die Gebühren der Netzbetreiber.

Das EEG21 hat aber ein Gutes: Der geplante Paragraph 1, Absatz 5 („Die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien liegt im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit.“) wurde vorerst verhindert. Allerdings nicht von Wirtschaftspolitikern, sondern von kleinen Vereinen wie der Westerwälder Naturschutzinitiative (NI), die gegen diese „Lex Windenergie“ mobil machten und mit Klagen drohten.

Die EEG-Profiteure wollten diesen Orwellschen Paragraphen durchdrücken. Er hätte Klagen gegen Windräder deutlich erschwert. Neue Standorte wären als „sicherheitsrelevant“ auch unweit von Wohnorten und in der Nähe von Brutstätten seltener Vögel ausweisbar gewesen. Der Umwelt- und Staatsrechtler Martin Gellermann (Universität Osnabrück) hatte in einem Gutachten für die NI unter anderem mit dem Bundesnaturschutzgesetz und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU gegen den EEG21-Entwurf argumentiert.

Doch unter Schwarz-Grün würden die Karten neu gemischt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat 2019 in seinem 270seitigen Sondergutachten „Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen – Zur Legitimation von Umweltpolitik“ aufgezeigt, was dann alles möglich wäre. So könnte ein für zwölf Jahre gewählter „Rat für Generationengerechtigkeit“ installiert werden, der als „parteipolitisch neutral wahrgenommen wird“ und ein „aufschiebendes Vetorecht“ bei Gesetzen habe, heißt es im SRU-Gutachten.

Und der Grundgesetz-Artikel 20a (Natur- und Tierschutz) könnte zum „Maßstäbegesetz“ mutieren: „Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung aller staatlichen Politiken und Maßnahmen als Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung berücksichtigt werden.“ Und da Klima- als Umweltschutz und Windkraft als CO2-frei gilt, wären einem radikaleren EEG dann Tür und Tor geöffnet. Denn SPD und Linke würden sich der Greta-Novelle nicht verweigern.

bafa.de

www.naturschutz-initiative.de





Stromeinspeisungsgesetz 1991

Die Idee, Ökostrom zwangsweise und gegen Mindestentgelte in die Netze einzuspeisen, entstammt der ersten schwarz-grünen Kooperation im Bundestag: 1990, als sich alle Blicke auf die deutsche Einheit richteten, konzipierten die bayerischen Abgeordneten Matthias Engelsberger und Wolfgang Daniels ihr Stromeinspeisungsgesetz. Der 65jährige CSUler Engelsberger wollte nach 31 Jahren im Bundestag heimischen Wasserkraftwerken helfen. Der 39jährige grüne Atomkraftgegner arbeitete quasi in eigener Sache: Der Physiker wurde nach vier Bundestagsjahren Chef der Dresdner Sachsenkraft GmbH, die mit Windkraft Geld verdient. Begründet wurde der Gesetzentwurf aber ganz koalitionstreu von CDU, CSU und FDP mit „Gründen der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes“. Die Mehrkosten sollten bei weniger als 0,1 Prozent der Stromerlöse liegen. Nach neun Jahren folgte als Ersatz das rot-grüne EEG, das mit einem Aufschlag von 1,6 Prozent begann. In diesem Jahr waren es bereits 21,5 Prozent. (fis)

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