© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

Im Zeichen des Virus
Ausblick auf das noch jungfräuliche Jahr: Die Normalität kommt so schnell nicht wieder
Michael Paulwitz

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Daß das Jahr 2020 im Zeichen eines alles überschattenden heimtückischen Virus stehen würde, hatte im Dezember 2019 noch niemand auf dem Schirm. Um so gewisser ist die Vorhersage, daß uns das Coronavirus auch 2021 noch lange beschäftigen wird.

Das verkorkste alte Jahr endet, wie das neue beginnt: im Lockdown. Die politischen und medialen Auguren stimmen uns schon mal darauf ein, daß sich daran bis ins Frühjahr auch nichts Wesentliches ändern wird. Sind die Bürger in Panik, ist die Exekutive im Vorteil, und wenig spricht dafür, daß diese ihre im abgelaufenen Krisenjahr angemaßten Sonderrechte und Kompetenzüberschreitungen einfach so wieder aufgibt. Dafür sorgt schon der neue Angstschub durch eine kurz vor Weihnachten in Großbritannien aufgetauchte Virus-Mutation. Das Publikum staunt, wie schnell Reisefreiheit wenn schon nicht für illegale Migranten, so doch für rechtstreue Normalbürger abgeschafft werden kann.

Zudem steht 2021 auch wieder ein Marathon-Wahljahr an, mit Landtagswahlen in zwei westdeutschen Flächenländern, drei mitteldeutschen Ländern und Berlin und als Höhepunkt der Wahl des 20. Deutschen Bundestags am 26. September. Der Wahlkampf beginnt schon im Januar, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz möglicherweise die Beobachtung der gesamten AfD ankündigen wird.

Ob die Alternative trotz dieser schweren Benachteiligung an frühere Erfolge anknüpfen kann, ist eine der spannenderen Wahljahr-Fragen. Daß die nächste Bundesregierung von Union und Grünen gebildet wird, scheint dagegen schon so gut wie ausgemacht, egal wer im Januar beim von der Kanzlerin verfügten virtuellen Parteitag CDU-Chef wird – Friedrich Merz, Armin Laschet, Norbert Röttgen oder gar der Bundestags-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus als abermaliger Überraschungskandidat.

Keine Rolle spielt dabei auch, ob der Betreffende am Ende der nächste Kanzlerkandidat der Union wird, oder doch der ehrgeizige CSU-Chef Markus Söder: Bei den Grünen, die indirekt längst die Richtlinien der Merkelschen Politik mitbestimmen, biedern sie sich alle schon mal an. Pessimisten fürchten gar, Merkel selbst könnte sich ihren Abschied von der Macht noch mal überlegen. Ein Knappe, der sie dazu drängt, findet sich bei Bedarf bestimmt.

Erst im Wahlherbst auch, orakelt es aus dem Kanzleramt kaum zufällig, könne nach all den Corona-Maßnahmen allmählich wieder an eine Rückkehr zur „Normalität“ gedacht werden. Beschränkungen wird es natürlich weiter geben, so leicht legt die Exekutive dieses Disziplinierungsinstrument nicht aus der Hand. Bedingung soll sein, daß bis dahin deutlich mehr als die Hälfte der Einwohner an den Massenimpfungen teilnehmen. Trotz aller hochgetriebenen Erwartungen und düsteren Szenarien ist die Impfbegeisterung der Deutschen indes durchwachsen. Der Fortgang der mit hohem Geld- und Propagandaaufwand zum Jahreswechsel gestarteten Impfkampagne verspricht ein Dauerbrenner im neuen Jahr zu werden.

Optimistisch rechnet die Bundesbank ab der Jahresmitte mit wirtschaftlicher Erholung. Die Folgen des zweiten harten Lockdowns sind in den meisten Prognosen allerdings noch gar nicht eingerechnet. Viele der jetzt zwangsgeschlossenen Betriebe werden einen Aufschwung daher wohl gar nicht mehr erleben. Deutschland steht vor einer nie dagewesenen Pleitewelle mit Zehntausenden Insolvenzen: Zahlreiche Mittelständler und Selbständige haben ihre Reserven verbraucht und sind jetzt schon am Ende; zudem lief zum Jahreswechsel die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aus, die 2020 noch die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche künstlich gedämpft hatte.

Die Arbeitslosigkeit dürfte ebenfalls drastisch steigen; die bis nach dem Wahltermin verlängerte Kurzarbeiterregelung ist letztlich in vielen Fällen nur eine Umetikettierung. Auch wer seine Stelle vorerst noch behält, muß um sie zittern und wird an den zum 1. Januar verteilten Wahlgeschenken – Grundrente, Kindergelderhöhung, Soli-Abschaffung für zahlreiche, aber nicht alle Arbeitnehmer – wenig Freude haben. Die Effekte der bescheidenen Steuersenkungen werden wohl schon von höherer EEG-Umlage und CO2-Besteuerung weitgehend aufgefressen.

Explodierende Staatsschulden und Haushalte in Schieflage gehören jetzt auch in Deutschland zur neuen Normalität. Dafür kann die Milliarden-Umverteilung nach Süden über zum „Wiederaufbaufonds“ umgetaufte Euro-Bonds so richtig Fahrt aufnehmen. In dem Maße, wie Deutschland als Bürge der letzten Instanz seine Staatsfinanzen zerrüttet, rückt auch der finale Euro-Crash näher. Die EU bleibt mit ihren ungelösten Problemen selbstbeschäftigt, von Migrationskrise bis Klima. Allerdings ohne die Briten: Das Vereinigte Königreich ist nicht mehr Mitglied der EU.

China wird der lachende Dritte sein: Die Pandemie ist dort schon lange für beendet erklärt, die Wirtschaft wächst, chinesische Unternehmen und Staatsfonds gehen weiter auf Einkaufstour im angeschlagenen deutschen Mittelstand. Nach der im Dezember erfolgreich abgeschlossenen Mondgestein-Mission wird im Februar die Landung der ersten chinesischen Marssonde erwartet. China erhebt auch im All Anspruch auf die Weltspitze.

Jenseits des Atlantik wird am 20. Januar Joe Biden als 46. US-Präsident ins Amt eingeführt. Mit der Rückkehr des alten Establishments ins Weiße Haus steigt die Kriegsgefahr, auch die Zensur in den sozialen Medien, die die Nähe zur neuen Macht suchen, dürfte zunehmen. Ohne Donald Trump weht ein rauherer Wind in der Welt. Wenig spricht dafür, daß Deutschlands politische Garnitur jetzt besser damit umgehen wird.