© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

Laurence will 2021 durchstarten
Großbritannien: Rechte Parteien konnten sich im Vereinigten Königreich nicht durchsetzen, doch die Hoffnung stirbt zuletzt
Derek Turner

Die Liste der rechten Parteinamen ist lang. Arthur K. Chestertons National Party, Nick Griffins British National Party, Paul Goldings „Britain First“, die British Freedom Party (BFP), Anne Waters „For Britain“ oder Nigel Farages UK Independence Party (Ukip) sind entweder längst Geschichte oder führen in der Politik des Vereinigten Königreichs ein Schattendasein.

Das offensichtliche Hindernis ist das Zwei-Parteien-Wahlsystem, aber dieses System ist selbst das Produkt eines größeren Problems. Inselnationen sind oft arrogant, daher gab es ein langes, starkes Gefühl der Sonderstellung, das durch fast neun Jahrhunderte (1066 bis Mitte des 20. Jahrhunderts) ohne beunruhigende Einwanderung und die Beibehaltung der Monarchie und anderer alter Formen der Identität gestärkt wurde.

Mehr als Dinnerclub geht bei Konservativen nicht

Diese falsche Sicherheit wurde durch den Anti-Intellektualismus der britischen Konservativen verstärkt, der sie schlecht gegen die ideologischen Herausforderungen der Linken wappnete. Nach 1945 verstanden die Konservativen meist nicht den Ernst der Lage und vertrauten bequem auf die britische Kultur („Tradition“ plus Wirtschaft), um jede Störung abzuwehren. Wann immer jemand – berühmt ist Enoch Powell – aus der Reihe tanzte, nahm der konservative Apparat ihn nicht ernst oder schloß die Reihen gegen den „Unruhestifter“. 

Kampagnengruppen innerhalb der Konservativen Partei, wie die Common Sense Group von 59 Abgeordneten und sieben Peers, die im November 2020 gegründet wurde, um gegen den linken Geschichtsrevisionismus vorzugehen, sind selten mehr als Dinnerclubs. 

Analytische Denker, die innerhalb des Konservatismus auftauchen, entscheiden sich oft eher für die Wissenschaft und den Journalismus als für die Politik und für Einfluß statt für Macht. 

Die kleinen Parteien der Rechten, die in der Nachkriegszeit aufkamen, haben den Ton der britischen Politik meist nicht verstanden. Die bekannteste war die Nationale Front (NF), gegründet 1967 von A. K. Chesterton, einem Cousin des berühmten G. K. Chesterton. 

Die NF war eine Mischung aus imperialer Nostalgie, exzentrischer Verschwörungstheorie und Opposition gegen nichtweiße Einwanderung, zu der sich bald auch Euroskepsis gesellte. Die Partei wurde von Anfang an von Fraktionskämpfen geplagt und wandte sich schnell von der spießigen Halb-Seriösität ab zugunsten eines schrillen „Straßenkampf“-Ansatzes, der Skinheads und Fußballfans anstelle von ehemaligen Konservativen einschloß. 

Farage schaffte den Brexit  – mehr bis dato nicht 1977 endete die sogenannte „Schlacht von Lewisham“, als ein NF-Marsch im Südosten Londons von Tausenden „Antifaschisten“ angegriffen wurde, mit vielen Verletzten bei der Polizei und zog irreparablen Schaden für den Ruf der Partei nach sich.

Der von dem ehemaligen NF-Vorsitzenden John Tyndall 1982 gegründeten und dann von Nick Griffin bis 1999 weitergeführten British National Party ging es nicht besser. Dagegen gibt es die Ukip noch immer, aber sie war immer eine Ein-Themen-Partei, und seit dem Ergebnis des Referendums 2016 ist sie ohne jeden Zweck.

Der Ex-Chef der Ukip, Nigel Farage, gründete nach dem Referendum 2016 die Brexit-Partei mit dem Ziel, den Brexit „durchzusetzen“. Sie floppte bei der Wahl im Dezember 2019, weil ihre Botschaft und Rhetorik im konservativen Mainstream untergingen. Nun änderte Farage den Namen seiner Brexit-Partei in „Reform UK“. „Wir behalten den Premier sehr genau im Auge, wenn sich das Ende der Übergangsperiode nähert, um sicherzustellen, daß er uns nicht über den Tisch zieht. Er wird versuchen, jeden Deal als einen großartigen Deal zu verkaufen, während wir wissen, daß ein No Deal immer besser ist als ein schlechter Deal“, erklärt Farage. Das drängendste Problem sei jedoch die „erbärmliche Reaktion der Regierung auf das Coronavirus“, so Farage, der aber nicht allein auf der Flur ist.  

Schauspieler Fox sorgt sich um die Redefreiheit 

Denn Schauspieler und Musiker Laurence Fox macht ihm Konkurrenz. Der 42jährige gründete im September seine Reclaim-Partei (der Name ist vorläufig). Fox will die „britischen Werte“ von den „abgehobenen“ Politikern „zurückzufordern“. Es wird gemunkelt, daß Reclaim bei der nächsten Parlamentswahl „Dutzende von Kandidaten“ aufstellen wird und bereits fünf Millionen Pfund an Spenden erhalten hat. Interessanterweise konzentriert sich Reclaim auf Kulturpolitik und wurde als „Ukip für Kultur“ beschrieben. Fox – der sich selbst als Kulturkonservativer und Sozialliberaler bezeichnet – will eine dringende „Reform des Bildungswesens, der BBC und anderer Institutionen“, um die „politische Voreingenommenheit“ zu beseitigen. 

„Überall im Westen haben wir ein Problem mit der Redefreiheit. Wenn man jemanden einen Rassisten nennt, ist das nach wie vor ein sehr effizienter Weg, die Debatte abzuschalten“, erklärte Fox im Express-Interview. Der Star steht seit Januar dieses Jahres im Rampenlicht, als er in der BBC-Fragestunde auftrat und Schlagzeilen machte, weil er Behauptungen zurückwies, daß die Behandlung von Herzogin Meghan Markle durch die Medien rassistisch motiviert sei. Stattdessen kritisierte er den Streit als „langweilig“ und behauptete: „Es ist kein Rassismus. Wir sind das toleranteste, schönste Land in Europa.“






Derek Turner ist Romanautor, Rezensent und Gründer des Onlinemagazins „The Brazen Head“ (www.brazen-head.org)