© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

Wie langweilig wäre die Welt, wenn wir alle gleich wären
Martin Lichtmesz über Stärken und Schwächen des Begriffs Ethnopluralismus
Michael Dienstbier

Der Verfassungsschutz, die Bundeszentrale für politische Bildung und Wikipedia sind einmal wieder einer Meinung: Beim Ethnopluralismus handele es sich um alten rassistischen Wein in neuen Schläuchen. Anstatt „Rasse“ sagten dessen Vertreter heute „Kultur“, würden aber im Grunde nichts anderes als altbekanntes „Blut und Boden“-Gedankengut vertreten. Martin Lichtmesz, neurechter Publizist und selbsterklärter Ethnopluralist, schreibt in seinem neuen Buch „Ethnopluralismus. Kritik und Verteidigung“ also aus der Sicht eines direkt Betroffenen. 

Bewahrung internationaler Völkervielfalt im Fokus

Um so bemerkenswerter daher, daß der Österreicher keine distanzlose Verherrlichung des eigenen Weltbildes vorlegt, sondern auch die blinden Flecken im Denken des eigenen Lagers beschreibt und kritisiert. Zu Beginn definiert Lichtmesz den Ethnopluralismus „als partikularistische Kritik am politischen, menschenrechtlichen Universalismus, den ich als Globalismus bezeichne“. Sich immer wieder auf die Arbeiten des großen Universalhistorikers Rolf Peter Sieferle beziehend, der sich 2016 das Leben nahm, sieht Lichtmesz im Universalismus und Partikularismus zwei antagonistische Bewegungen, die zentraler Akteur aller aktuellen Großkonflikte seien. Ökonomische und kulturelle Transnationalisten, so der Autor, stünden den Kräften der Bewahrung der internationalen Völkervielfalt entgegen. 

Die Verteidigung der eigenen Identität, der eigenen Lebensart bedürfe der gegenseitigen Abgrenzung, da eine über die Maße betriebene Vermischung in der Geschichte noch nie zu einem multikulturellen Paradies sich gegenseitig bereichernder Kulturen geführt habe, sondern mittel- und langfristig immer zu blutigen Auseinandersetzungen und in extremen Beispiele sogar zu ethnischen Säuberungen. Daß dieser ethnopluralistische Glaubenssatz im krassen Gegensatz zum derzeit dominierenden globalistischen Zeitgeist steht, bedarf keiner weiteren Erläuterung. 

Der mantraartig geäußerte Vorwurf, die Forderung der Bewahrung einer relativen ethnischen Homogenität der einzelnen Völker erfülle bereits den Tatbestand des Rassismus, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Das Wesen des Rassismus ist nicht das Feststellen von Unterschieden. Wie langweilig wäre die Welt, wenn tatsächlich „alle gleich“ wären, wie es das Ideal der „Eine Welt“-Universalisten ist. Das Wesen des Rassismus ist die Hierarchisierung von Rassen und Völkern in höher- und minderwertige. Indem er die Schriften von Ethnopluralisten wie Henning Eichberg oder Alain de Benoist mit denen von wahren „Blut und Boden“-Ideologen wie Alfred Rosenberg vergleicht, entlarvt Lichtmesz das aggressive Vorgehen des polit-medialen Mainstreams als substanzlose Ausgrenzungs- und Diffamierungskampagne, die im Moment jedoch sehr erfolgreich sei.

Pluralismus wird heute meist ethnisch gedacht

Zu den stärksten Passagen des Buches gehören Lichtmesz’ Analysen der rassistischen Denkstrukturen der selbsternannten Antirassisten: „Pluralismus wird heute in erster Linie ethnisch, um nicht zu sagen: rassisch gedacht“, stellt er zutreffend fest, um später eine „totale ‘Rassifizierung’“ der veröffentlichten Debatte im Namen des Antirassismus zu attestieren. Knallhart werde hier auf Grundlage biologischer Kriterien hierarchisiert: weiß ist schlecht, nicht-weiß ist gut. Es ist eine brandgefährliche Entwicklung, wenn rassistisches Denken unter dem Deckmantel der „Vielfalt“ wieder salonfähig wird, solange es sich nur gegen die vermeintlich Richtigen wendet. Der Ethnopluralismus müsse aufpassen, so Lichtmesz abschließend, nicht zu einem „Universalismus des Partikularen“ und somit zu einem Gegner der eigenen Idee zu werden. 

Als philosophisches System sei er untauglich. Vielmehr sei er eine Bewegung des Konkreten, die vor Ort in bewahrender Absicht für den Erhalt der eigenen Kultur, Traditionen, Rituale, im Grunde des Eigenen an sich kämpft. Inhaltlich dicht und stilistisch hervorragend, gelingt dem Autor die besorgniserregende Bestandsaufnahme eines sich verschärfenden gesellschaftlichen Klimas, die eine Leserschaft auch und gerade jenseits des eigenen Milieus verdient hätte.

Martin Lichtmesz: Ethnopluralismus. Kritik und Verteidigung. Verlag Antaios, Schnellroda 2020, broschiert, 300 Seiten, 18 Euro