© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

Kabinenklatsch
Traditionsklub auf Erfolgskurs
Ronald Berthold

In der vierten Liga durchschnittlich 10.742 Zuschauer ins Stadion zu ziehen, gelingt nur einem Traditionsverein. Rot-Weiss Essen hat das geschafft. Doch dann kam Corona, die Saison wurde abgebrochen, und der Klub mußte dem SC Verl 14 Spieltage vor Schluß den Vortritt in die 3. Liga lassen.

Jetzt unternehmen die geschichtsträchtigen Essener einen neuen Anlauf. Sie haben nicht nur als einziger Viertligist den Einzug ins DFB-Pokal-Achtelfinale geschafft. Nach der Hinrunde stehen die Ruhrgebietler auf Platz 1, der den direkten Aufstieg bedeutet. Ich drücke die Daumen. Nur die zweite Mannschaft des BVB könnte, so sieht es aus, dem Meister von 1955 noch den Traum von der Rückkehr in den bezahlten Fußball zerstören.

Ich bin grundsätzlich dagegen, daß Reserveteams millionenschwerer Bundesligisten den Wettbewerb in den unteren Klassen verzerren. Sie sollen in einer eigenen Liga spielen. Und Essen muß wieder hoch. Der Klub, der uns Helmut Rahn, den Siegtorschützen beim „Wunder von Bern“ schenkte, gehört nicht in die Niederungen der Regionalliga.

Erinnerungen an spannende Aufeinandertreffen und sensationelle Spieler

Sieben Jahre erste und 23 Jahre zweite Liga stehen seit 1963 in den Annalen. 1994 erreichte der DFB-Pokalsieger von 1953 erneut das Endspiel, verlor aber gegen Werder. 2007 begann der Niedergang des einstigen Arbeiter- und Bergbauklubs. Nach dem Abstieg aus der zweiten folgte innerhalb von vier Jahren der Sturz bis in die fünftklassige NRW-Liga inklusive Insolvenz. Nun geht es wieder aufwärts. Und Erinnerungen an sensationelle Spiele im inzwischen abgerissenen Georg-Melches-Stadion werden wach. Rekordspieler ist bis heute das Original „Ente“ Lippens. 1977/78 verpaßte RWE trotz 41 Toren von Horst Hrubesch den Aufstieg in die Bundesliga. Auch die 40 Treffer von Frank Mill reichten drei Jahre später nicht für die Rückkehr. So liegt das letzte Bundesligajahr 43 Jahre zurück.

Wieder gegen Kaiserslautern, 1860, den MSV Duisburg oder den 1. FC Saarbrücken zu kicken, ist aber auch etwas. Denn die 3. Liga ist der Tummelplatz der Traditionsvereine.