© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Goldstandard statt Euro-Schuldensumpf
Währungspolitik: Die Mark des Kaiserreiches war bis 1914 das beste Geld, das Deutschland je hatte
Bruno Bandulet

Vor 50 Jahren gab SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller den Wechselkurs der D-Mark endgültig frei. Bis auf die Jahre 1981 bis 1985 gab es fast regelmäßige Aufwertungen zum Dollar oder dem Pfund. Aus dem Vier-Mark-Festkurs zu Zeiten der Dollar-Goldbindung wurden bis 1995 1,43 D-Mark pro Dollar. Die Bundesbank gab das „Hartgeld“ unter den ungedeckten Papierwährungen heraus. Mit der Euro-Einführung kam dann die Zäsur.

Am besten läßt sich die Misere der Währungsunion am Goldpreis ablesen – er hat sich seitdem verfünffacht: von 308 Euro (2. Januar 2002) auf 1.521 Euro pro Unze am 8. Januar 2021. Und mit der Währungsunion kamen zusätzliche Gefahren: Von 2010 bis Ende Dezember 2020 stiegen die Forderungen der Bundesbank aus dem Target-2-Zahlungsverkehrssystem von 200 auf 1.136 Milliarden Euro. Sprich: Den Defizitländern Italien, Spanien, Griechenland und Portugal wurden für Importe oder Auslandsinvestionen „Ersatzkredite aus den nationalen ‘Druckerpressen’ des Eurosystems“ (Hans-Werner Sinn) gewährt.

Weder „Euro-Rettung“ noch Käufe von Staatsanleihen

Doch es gab eine Zeit, in der „Euro-Rettung“, Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbank, maßlose Überschuldung undenkbar und Inflation oder Minuszinsen ein Fremdwort war: die Epoche des Goldstandards, eine rechtsstaatliche Geldverfassung als Grundlage und Voraussetzung des ersten deutschen Wirtschaftswunders, das mit dem Ersten Weltkrieg 1914 jäh endete. Zeitweise fielen die Preise, zeitweise stiegen sie wie nach der Jahrhundertwende. Langfristig aber blieb die Kaufkraft konstant. 1913 lag der Index der Großhandelspreise in Deutschland auf demselben Niveau wie in der Mitte der fünfziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts.

Weil die Zinsen real und nominal positiv blieben, lohnte das Sparen. 1870 rentierten festverzinsliche Wertpapiere mit 4,61 Prozent, 1913 mit 4,09 Prozent. Wohlhabende Rentiers konnten von ihren Anleihen gut leben. Wenn eine Zinszahlung fällig war, nahmen sie die Schere zur Hand, schnitten einen Coupon vom Bogen ab und lösten ihn ein. Das Forderungsrecht aus den Coupons verjährte nach vier Jahren, in Bayern nach fünf. Ein grundsolides System, das auf einer sehr einfachen Definition von Geld beruhte – Geld nicht als Forderung, sondern als Ware, nachzulesen in Herders Konversations-Lexikon von 1905. Gemeint waren: Gold und Silber.

1871 kursierte im neu gegründeten Deutschen Reich nach plausiblen Schätzungen Metallgeld im Wert von knapp zwei Milliarden Mark, davon 82 Prozent in in- und ausländischen Silbermünzen. Zwölf Prozent waren ausländische und nur vier Prozent in Deutschland geprägte Goldmünzen. In Norddeutschland wurde vorzugsweise mit dem silbernen Taler gezahlt, der mit unterschiedlichen Feingehalten umlief, im Süden mit dem silbernen Gulden und in Bremen mit dem Goldtaler, der 1,2 Gramm Gold enthielt. Der Währungswirrwarr brachte es mit sich, daß größere Rechnungen oft mit einem Sammelsurium von Münzen bezahlt wurden, was zum Streit zwischen den Vertragsparteien führen konnte.

Das Münzgesetz vom 4. Dezember 1871 machte den ersten Schritt hin zu einer reinen Goldwährung. Beschlossen wurde die Ausprägung von Reichsgoldmünzen zu zehn und zwanzig Mark mit einem Mischungsverhältnis von 900 Teilen Gold und 100 Teilen Kupfer. Silbermünzen sollten „bis auf weiteres“ nicht mehr geprägt werden, wurden aber weiterhin benutzt. Bereits das Münzgesetz von 1873 beendete de jure den Bimetallismus und führte Scheidemünzen ein, deren Materialwert unter dem Nennwert lag: Kupfermünzen zu ein und zwei Pfennig, Nickelmünzen zu fünf und zehn Pfennig und Silbermünzen zu 20 und 50 Pfennig und zu ein, zwei und fünf Mark. Erst das Münzgesetz von 1909 erklärte die Goldwährung als vollständig eingeführt.

Handelsbilanzdefizite in Gold ausgleichen

Die Geldverfassung des Kaiserreichs funktionierte so, daß die auf Mark lautende Reichswährung bis 1875 von allen Bundesstaaten, zuletzt vom Königreich Bayern, nach und nach eingeführt wurde. Banknoten galten, anders als Goldmünzen, nicht als Bargeld. Sie mußten – allerdings nicht zu hundert Prozent – durch Gold gedeckt sein. Sie konnten in Gold eingelöst werden. Die Reichsbank, die am 1. Januar 1876 ihre Arbeit aufnahm, war zudem jederzeit bereit, Barrengold zum festen Preis von 1.392 Mark je Pfund anzukaufen und dafür Banknoten herauszugeben.

So wurde Geld durch Übertragung realen Eigentums geschaffen, und die Bilanz der Reichsbank blieb sauber und solide. Dabei war sie nicht einmal unabhängig. Sie war dem Reichskanzler unterstellt. Nur wäre es Otto von Bismarck nicht im Traum eingefallen, die Reichsbank zur Staatsfinanzierung zu mißbrauchen. Die EZB hingegen ist zwar wie die Bundesbank formal unabhängig, in Wirklichkeit aber längst durch und durch politisiert.

England, das den Goldstandard inoffiziell 1717 und offiziell 1816 eingeführt hatte, fungierte vor 145 Jahren als Vorbild. Nicht nur zwischen Mark und Pfund auch zwischen den anderen Goldwährungsländern bestanden feste Wechselkurse. Defizite in der Handelsbilanz mußten auf Verlangen in Gold ausgeglichen werden. Übermäßige Auslandsverschuldung war damit ebenso ausgeschlossen wie ausufernde Defizite der Staatshaushalte. Daß die Goldeinlösungspflicht 1914 von allen kriegführenden Parteien ausgesetzt wurde, war insofern unvermeidlich. Mit dem Goldstandard wäre der Waffengang nur ein paar Monate lang finanzierbar gewesen.

Banknoten konnten sich nie richtig durchsetzen. Ihr Umlauf blieb immer hinter dem von Gold und Silber zurück, und noch 1913 lagen Banknoten und Goldmünzen gleichauf. Nach Kriegsausbruch gaben patriotische Deutsche Gold für Eisen, um die Rüstung zu finanzieren, auch in der Erwartung, daß nach dem Sieg der Goldstandard zurückkehren würde. Doch stattdessen wurde das Papiergeld, das sie für ihr Gold erhalten hatten, 1923 wertlos. Es lohnte sich, die 20-Mark-Münze Wilhelm II. mit der Randschrift „Gott mit uns“ nicht aus der Hand zu geben: Sie kostete bei Degussa Goldhandel zuletzt 390 Euro und damit das 38fache.

Was bleibt, ist ein Rückblick mit leiser Nostalgie und dem Gefühl eines ungeheuren Verlustes: statt Goldmark Euro, statt finanzieller Freiheit finanzielle Repression, statt Haftung für die eigenen Schulden organisierte Verantwortungslosigkeit, statt monetärer Souveränität ein Euro-Schuldensumpf, wo die einen in die Taschen der anderen greifen. Anders als der Goldstandard, der in einem sinnlosen Krieg unterging, ist der Euro eine Währung mit eingebautem Selbstzerstörungsmechanismus. Jede Zeit hat eben das Geld, das sie verdient. Auch eine Währung lebt von moralischen und kulturellen Voraussetzungen, die sie nicht selbst schaffen kann.






Dr. Bruno Bandulet war Chef vom Dienst der Welt und Herausgeber des Börsenbriefs Gold & Money Intelligence. Der Euro-Kritiker und Buchautor ist Herausgeber des Deutschland-Briefs.