© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Vom Einheitswerk zum Spaltpilz
Gendergaga: Wie der Duden die letzten Reste seines einstmals guten Rufs verspielt
Thomas Paulwitz

Zum 192. Geburtstag Konrad Dudens am 3. Januar bereitet die Dudenredaktion dem Vater der einheitlichen deutschen Rechtschreibung ein Geschenk, das dessen Andenken weiter in den Schmutz zieht. Ohne Vorankündigung begann die Redaktion, das Wörterbuch umfassend umzuarbeiten, um den Ansprüchen der Genderfraktion zu entsprechen. Erst auf Nachfrage der Tageszeitung Die Welt gab die Redaktion jetzt zu, im Laufe des Jahres rund 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen gendern zu wollen. Vorläufig ist erst das Wörterbuch im Netz betroffen.

Gegen die Erkenntnisse der Sprachwissenschaft und gegen den allgemeinen Sprachgebrauch leugnet die Dudenredaktion jetzt in ihrer Arbeit, daß es ein generisches Maskulinum gibt. Entsprechend schreibt sie die Erklärungen für die einzelnen Stichwörter um. So ist der Mieter nicht mehr „jemand, der etwas gemietet hat“, sondern eine „männliche Person, die etwas gemietet hat“. Das ist nachweislich falsch, ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch genügt. So gilt dort das „Sonderkündigungsrecht des Mieters nach Mieterhöhung“ gemäß Paragraph 561 selbstverständlich nicht nur für eine „männliche Person, die etwas gemietet hat“. Ein Mieter kann männlich, weiblich oder neuerdings sogar „divers“ sein. Die Bezeichnung „Mieter“ sagt also nichts über den biologischen Zustand eines Menschen aus, sondern etwas über die Rolle, die er in einem bestimmten Zusammenhang einnimmt.

Keine biologischen, nur berufliche Kategorien 

Wer zum Arzt geht, geht nicht ausdrücklich zu einer „männlichen Person, die nach Medizinstudium und klinischer Ausbildung die staatliche Zulassung (Approbation) erhalten hat, Kranke zu behandeln“, wie der Duden jetzt behauptet. Ein Arzt kann genauso auch eine Ärztin sein. Wer zum Bäcker, Arzt oder Friseur geht, für den ist die anatomische Beschaffenheit der Personen, die er dort vorfindet, in der Regel zweitrangig. Diese Wörter sind keine biologischen, sondern berufliche Kategorien. Dasselbe gilt natürlich auch für Schüler, Bürger oder Steuerzahler. Diese Ausdrücke haben sich im Laufe der Zeit als übergeordnete Kategorien entwickelt. Adjektive, die von Substantiven abgeleitet sind, machen das besonders deutlich: Die Eigenschaftswörter „bürgerlich“, „freundlich“ und „meisterlich“ beziehen sich nicht nur auf männliche Bürger, Freunde und Meister, sondern gelten geschlechterübergreifend.

Doch die Dudenredaktion ist anderer Ansicht: „Die männlichen Formen waren nie geschlechtsneutral, wir präzisieren im Rahmen der kontinuierlichen redaktionellen Arbeit an unseren Inhalten lediglich die Bedeutungsangaben.“ Daraufhin platzte dem Potsdamer Germanisten Peter Eisenberg der Kragen. Der Sprachwissenschaftler nennt das „skandalös“, einen „klaren Betrug“, „Irreführung des Lesers“ und „Falschmeldung“. Der Käufer eines Wörterbuches müsse erwarten können, daß er ein Wörterbuch erwirbt, das sachlich richtig ist.

Seine Kollegin Ewa Trutkowski, die als Linguistin an der Freien Universität Bozen forscht, pflichtet Eisenberg bei. Die Dudenredaktion entferne sich von der Sprachwirklichkeit. Sie mißbrauche die dem Duden zugeschriebene „Deutungs- und Definitionshoheit über die deutsche Sprache, um eine wissenschaftlich einseitige Sichtweise zu propagieren.“ Der nächste Schritt der Duden-Redaktion könne laut Trutkowski sein, den Genderstern einzuführen, um diese „selbstgeschusterte Dualität“ wieder aufzulösen, „begleitet von der Diktion, daß das Zeichen nun her muß, weil diverse Menschen nicht unter diese – gerade neu ersonnenen – Definitionen fallen.“

Sprachmanipulation bis hin zum Genderstern

Damit hat Trutkowski wohl das eigentliche Ziel dieser Duden-Aktion genannt. Die Neufassung von 12.000 Definitionen ist nur ein Zwischenschritt auf einem langen Weg der Sprachmanipulation. Seit mehreren Jahren versucht die Dudenredaktion nämlich, sei es über die Veröffentlichung von Schriften, sei es im Rat für deutsche Rechtschreibung, das Gendern in der deutschen Sprache voranzutreiben. 2017 gab sie etwa den Leitfaden „Richtig gendern“ heraus. Der frühere Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus bezeichnete ihn als „Machwerk einer an Orwellschen Neusprech erinnernden Sprachpolizei“.

Ein Jahr später übte die Bundesregierung in Gestalt der damaligen Justizministerin Katarina Barley (SPD) Druck aus, den Genderstern in den Duden aufzunehmen. Daraufhin warb die Dudenredaktion im Rat für deutsche Rechtschreibung dafür. Dort stieß sie jedoch auf Widerstand. Nun versucht die Dudenredaktion, auf andere Weise Tatsachen zu schaffen. Im vergangenen Jahr erschien die 28. Auflage des Rechtschreibdudens. Dieser gibt auf drei Seiten „Hinweise zum gendergerechten Sprachgebrauch“, die nun auch den Genderstern zulassen (JF35/20).

Ihren jüngsten Gendervorstoß begründet die Dudenredaktion damit, er beruhe auf „redaktionellen Recherchen zum aktuellen Sprachgebrauch“. Damit gibt sie zu, daß sie sich nur in einer Gender-Blase innerhalb der Sprachgemeinschaft bewegt. Somit macht sie ihr Nachschlagewerk für die Allgemeinheit unbrauchbar. Statt die Sprachgemeinschaft im Geist Konrad Dudens zu einen, trägt sie weiter zur Spaltung bei. Seit der Rechtschreibreform ist der Ruf des Dudens ramponiert, den Rest seines einstmals guten Rufes trägt die Dudenredaktion nun mit Gendergaga zu Grabe.






Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich in Erlangen erscheinenden Zeitung Deutsche Sprachwelt.

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