© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

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Evangelische Theologen für assistierte Sterbehilfe

FRANKFURT/MAIN. Führende evangelische Theologen fordern, in Deutschland einen assistierten professionellen Suizid zu ermöglichen. Auch kirchlich-diakonische Einrichtungen sollten sich dem nicht verweigern, schreiben sie in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe 11. Januar). Unterzeichner der Stellungnahme sind unter anderem der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, und der Vorsitzende der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Reiner Anselm. An dem „Diskussionsprozeß“ mitgewirkt habe der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister. Kirchliche Einrichtungen sollten eine bestmögliche medizinische und pflegerische Palliativversorgung sicherstellen, heißt es in der Stellungnahme. Zugleich dürften sie sich dem freiverantwortlichen Wunsch einer Person nicht verweigern, ihrem Leben mit ärztlicher Hilfe ein Ende zu setzen. Kirchliche Einrichtungen müßten Orte sein, in denen ein Suizid nach Beratung des Sterbewilligen durch eine „anerkannte Stelle“  auf „sichere und nicht qualvolle Weise“ vollzogen werden könne. Durch eine Professionalisierung der Selbsttötung, die die Begleitung des Sterbenden wie seiner Angehörigen durch qualifizierte Seelsorger einbezieht, kann nach Ansicht der Unterzeichner auch der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe die Grundlage entzogen werden. Die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz widersprach nach Angaben der Katholischen Nachrichten-Agentur der Position der Autoren. „Respekt vor der Selbstbestimmung bedeutet in diesen Situationen gerade nicht, den Wunsch oder die Entscheidung zum Suizid unhinterfragt hinzunehmen oder den Suizid als normale Form des Sterbens auszuweisen“, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, der Theologe Matthias Kopp (52). Die Ermöglichung des assistierten Suizids sei nicht die richtige Antwort auf die Lebenssituationen von Menschen, die Suizidwünsche entwickelten oder Suizidabsichten hätten. Kirchliche Einrichtungen mit der christlichen Hoffnungsbotschaft seien der Förderung des Lebens verpflichtet: „Das Ermöglichen von Angeboten des assistierten Suizids in diesen Einrichtungen wäre mit deren Wesenskern nicht vereinbar.“ Der Deutsche Bundestag hatte 2015 die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Regelung im Februar für verfassungswidrig (JF 11/20). Begründung: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Der Bundestag muß nun erneut über eine gesetzliche Regelung beraten. (idea/JF)