© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Kabinenklatsch
Schalke kann doch noch gewinnen
Ronald Berthold

Das Unfaßbare ist geschehen: Schalke hat nach fast genau einem Jahr wieder gewonnen. Ich gebe zu, das hat mich geärgert. Denn schon nach dem dritten Spieltag hatte ich die Gelsenkirchener hier in einem Atemzug mit Tasmania genannt – lange bevor auch anderen Journalisten die Parallelen zum erfolglosesten Bundesligaverein aller Zeiten auffielen. Irgendwie wollte ich nun recht behalten, habe gehofft, daß Schalke auch das Spiel gegen Hoffenheim nicht gewinnt und damit den Ewigkeitsrekord der armen Neuköllner einstellt.

Es kam anders. Die Knappen haben nach 30 Spielen wieder einen Dreier geschafft. Als Sportsmann gratuliere ich – vor allem den bedauernswerten, treuen Fans, die überhaupt nichts für diese Katastrophe können, sondern einfach nur gelitten haben. Zudem war die Motivation für mein stetes Daumendrücken mit den Schalker Gegnern ziemlich egoistisch. Ich wollte mich ein wenig als Fußball-Nostradamus fühlen.

Die zusammengekaufte Söldnertruppe wird es schwer haben, den Klassenerhalt zu schaffen.

Daß nach dem 4:0 gegen den Kraichgauer Retortenklub nun alles wieder gut ist, glaube ich allerdings nicht. Dafür ist die Misere zu tief in den Strukturen des Ruhrpottvereins verwurzelt: Die zusammengekaufte Söldnertruppe ohne Herz und Teamgeist wird es schwer haben, den Klassenerhalt zu schaffen. Unter den 14 in Hoffenheim eingesetzten Feldspielern waren gerade mal drei Deutsche. 

Jetzt will ich wenigstens in der Abstiegsfrage richtigliegen. Schon vor der Saison hatte ich Schalke hier als heißesten Kandidaten für die zweite Liga ausgegeben. Insofern bleibt mir fast nichts anderes übrig, als zu hoffen, daß der Sieg in Hoffenheim ein One-Hit-Wonder bleibt. Aber vielleicht irre ich mich auch hier, und ausgerechnet ein Spieler aus der in der vierten Liga kickenden Reservemannschaft wird zum Heilsbringer. Bundesligareife muß US-Boy Matthew Hoppe trotz seiner drei Sensations-Tore allerdings noch nachweisen.

Es bleibt schwierig. Und meine Einschätzung, ob die Schalker den Ligaverbleib nach ihrem jahrelangen arroganten Mißmanagement überhaupt verdienen, noch schwieriger.