© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Umbenennung der Woche
Wahrheit auf’m Platz
Christian Vollradt

Ob sich die Parteifreunde da untereinander abgesprochen hatten? Am Montag, dem 18. Januar, druckte die Berliner Morgenpost auszugsweise einen Beitrag des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) ab. Darin erinnerte der einstige Senatschef daran, daß mit der Reichsgründung im Jahre 1871 die Stadt an der Spree auch – erstmals – gesamtdeutsche Hauptstadt und Regierungssitz wurde. In dem Zusammenhang mahnte der Christdemokrat einen etwas entkrampfteren Umgang mit der eigenen Geschichte an. Am selben Tag teilte unterdessen die CDU in der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg mit, sie habe sich gemeinsam mit Grünen und FDP auf die Umbenennung des Kaiser-Wilhelm-Platzes in Richard-von-Weizsäcker-Platz geeinigt. Damit solle „vor allem der erste Bundespräsident des wiedervereinigten Deutschland, der mit seiner vielbeachteten Rede zum 8. Mai 1945 als ‘Tag der Befreiung’ die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der deutschen Vergangenheit auf eine neue Stufe hob“, gewürdigt werden. Alle, die nach wie vor lieber Willy wählen würden (aber den mit dem Bart, mit dem langen Bart), beruhigen Diepgens Parteifreunde: „Kaiser Wilhelm I. wird auch weiterhin prominent im Stadtbild vertreten sein“, etwa durch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Hurra.