© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Eigener Herd wird immer mehr wert
Häuschen im Grünen: Für große Teile der Mittelschicht sind eigene vier Wände inzwischen unbezahlbar / Keine Entspannung durch Corona
Martina Meckelein / Christian Rudolf

Rette sein Geld, wer kann. Und deshalb wird in Deutschland in Grund und Boden investiert. Die steigende Nachfrage läßt die Immobilienpreise wiederum steigen – trotz oder gerade wegen des Coronavirus. Denn für Großanleger gibt es aufgrund der Nullzinspolitik zur Zeit kaum gewinnträchtige Anlagen. Der deutsche Arbeitnehmer wiederum erlebt abermals lange Wochen im Homeoffice, das ihm die Decke seiner Mietwohnung auf den Kopf fallen läßt. Ein Komplett-Shutdown ohne Garten, Kinderschaukel und selbstangebautes Gemüse? Nein danke.

Aber für wen lohnt sich der Kauf einer Immobilie – und für wen lohnt sich der Verkauf? Wo liegen die deutschen Boom-Städte? Denn noch immer gilt: Lage, Lage, Lage. Nicht immer gilt allerdings, daß der Quadratmeterpreis für eine Wohnung höher ist als für ein Haus. Und der mit dem Coronavirus begründete Lockdown lehrte auch, daß man für viele Berufe nicht unbedingt in der Stadt leben muß.

„Zum ersten Mal ist die Entwicklung der Wohnflächennachfrage und der Immobilienpreise in Deutschland bis zum Jahr 2060 wissenschaftlich untersucht worden“, meldete die Bausparkasse Schwäbisch Hall im Januar 2019. Im Auftrag der Schwäbisch-Hall-Stiftung wurde die Studie „Soziodemographischer Wandel und regionale Immobilienmärkte“ vom Studienleiter der Deutschen Immobilien-Akademie, Bernd Raffelhüschen und Roman Witkowski von der Universität Freiburg erarbeitet.

Die Studie, die jetzt als Buch vorliegt, stellt fest: Trotzdem die deutsche Bevölkerung schrumpft und die Einwanderung diesen Trend lediglich dämpft, würde die Nachfrage nach Wohnraum bis 2040 weiter ansteigen. Dies liege an der steigenden Zahl von kleineren Haushalten und dem Anstieg der Wohnfläche pro Person. Die Wissenschaftler gehen davon aus, daß der Verbrauch von derzeit 45 Quadratmetern auf 49 Quadratmeter Wohnraum in zehn Jahren steigen wird. Damit wird es auch weiterhin zum Preisanstieg kommen. Der soll, so die Studie, ab 2030 seine Dynamik verlieren. Doch bestimmte Ballungsräume wie Berlin, Hamburg und fast der gesamte Süden Deutschland bleiben von dieser Entwicklung unbeeindruckt.

Wer nun hoffte, daß in der anhaltenden Pandemiezeit die Immobilienpreise sinken würden, wird bitter enttäuscht. „Vor allem die Preise für Häuser stiegen wesentlich mehr als die für Eigentumswohnungen“, erklärt die MCM-Investor-Management AG aus Magdeburg. Dabei bezieht sich der Immobilieninvestor auf den aktuellen Wohn-Index des privaten Hamburger Forschungsinstituts F+B. Der F+B-Wohn-Index Deutschland mißt seit 2004 quartalsweise die Miet- und Preisentwicklungen von Wohnimmobilien für alle Gemeinden.

Häuser sind um 8,6 Prozent teurer als vor einem Jahr

Die Analyse zeigt für das eben vergangene Jahr die außergewöhnliche Entwicklung: Der Index stieg im Durchschnitt im dritten Quartal 2020 im Vergleich zum dritten Quartal 2019 um 5,6 Prozent. Die Preise für Ein- bis Zweifamilienhäuser legten im ersten Quartal 2020 um 2,9 Prozent zu und im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um happige neun Prozent. Der angezeigte Trend setzte sich im dritten Quartal 2020 unverändert fort: Ein- und Zweifamilienhäuser verteuerten sich im Schnitt um 8,6 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum. Und damit noch viel stärker als Eigentumswohnungen, deren Preise immerhin um deftige 5,5 Prozent anzogen. „Wir sind der Auffassung, daß die Corona-Pandemie hier einen zusätzlichen und offenbar auch nachhaltigen Nachfrageschub bei gleichzeitig beschränktem Angebot erzeugt hat“, beurteilt F+B-Chef Bernd Leutner die Situation. Die Entwicklung im vierten Quartal 2020 ist derzeit noch nicht ausgewertet.

In einem der seit Jahrzehnten hochpreisigen Hotspots, der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg, vermarktet Christof S. Immobilien. „In Stuttgart ist es der Wahnsinn. Wir verkaufen hier gebrauchte Wohnungen in guter Wohnlage für einen Quadratmeterpreis von 8.500 Euro“, bekennt er gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Im beliebten hippen Stuttgarter Westen habe ich vergangene Woche eine Altbauwohnung für fast 7.000 Euro den Quadratmeter verkauft. Selbst in Leonberg kaufte jüngst ein Pärchen ein Reiheneckhaus mit 450 Quadratmeter großem Grundstück, keine außerordentliche Lage, für 648.000 Euro.“

Eine Veränderung in der Preisentwicklung erkennt er nicht. „Viele dachten, durch Corona käme es zu einem Preisverfall, doch den Markt hat es, jedenfalls in Stuttgart, nicht betroffen, der hat nicht angehalten. Die Leute wissen einfach nicht, wohin mit dem Geld. Auf der Bank kriege ich nichts, und in Aktien, also spekulative Anlagen, investiert der Deutsche nur ungern. Da geht er ins Betongold.“

Wie erklärt der Makler den enormen Preisanstieg bei Ein- und Zweifamilienhäusern? „Nun, die sind einfach hochpreisiger zu verkaufen, weil in der Regel dort keiner mehr drin wohnt beziehungsweise der Verkäufer mit dem Verkauf auszieht und man sich sein Eigentum nicht mit anderen teilen muß.“

Im Kreditwesen sieht das dann folgendermaßen aus: Nahmen Deutsche pro Immobilienkauf im Juli 2019 noch durchschnittlich 263.000 Euro als Darlehen auf, waren es im November 2019 schon 266.000 Euro und im November 2020 bereits 298.000 Euro. Die Zahlen stammen von dem Finanzdienstleister Dr. Klein Privatkunden AG. Dessen „Trendindikator Baufinanzierung“ (DTB) stellt monatlich die Entwicklung der Baufinanzierungs-Parameter dar. Demnach sinkt die Standardrate für die errechnete durchschnittliche Monatsrate für eine Finanzierung mit den Parametern: 150.000, zwei Prozent Tilgung, 80 Prozent Beleihung und 10 Jahre Sollzinsbindung im Zeitraum zwischen November 2019 und November 2020 von 384 auf 375 Euro.

Banken vergeben Kredite in Corona-Zeiten restriktiver 

Die Mahnung vor einer drohenden platzenden Immobilienblase, die seit Jahren immer wieder, auch von der Bundesbank, ausgesprochen wurde, hat sich nicht erfüllt. „Weder gibt es ein Überangebot von Wohnungen noch viele Notverkäufe noch Hinweise darauf, daß sich Kreditnehmer mit Immobilienkrediten übernehmen und die Banken leichtfertig Kredite unters Volk verteilen“, schrieb am 9. August 2020 die Süddeutsche Zeitung.

Ganz im Gegenteil. Die Banken würden in der Corona-Zeit restriktiver Kredite vergeben, ist die Beobachtung des Stuttgarter Immobilienmaklers. „Der Kauf einer Eigentumswohnung zur Vermietung wurde seitens der Banken vor Corona fast zu 100 Prozent finanziert. Heißt, nur die Kaufnebenkosten, rund elf Prozent, mußten aus Eigenkapital bestehen. Das ist heute anders. Die Banken verlangen jetzt wesentlich höhere Eigenkapitalquoten, um die 20 bis 30 Prozent.“ Der Grund ist die Sorge, daß Käufer oder künftige Mieter ihre Arbeitsplätze wegen der Corona-Maßnahmen verlieren könnten und so die Finanzierung nicht mehr gesichert wäre.

Doch bevor der Käufer einen Immobilienkaufvertrag abschließen kann, muß er erst einmal ein Objekt bekommen. „Es ist im Moment immer noch so, daß wir zu wenig Objekte haben, denn es wird einfach zu wenig gebaut“, sagt Makler S. „Als Fritz Kuhn hier Oberbürgermeister wurde, versprach er zu bauen – was für ein leeres Geschwätz.“ Der städtische Wohnungsbau liege mehr oder weniger brach. Die Stadt verkaufe die kommunalen Grundstücke, auf denen preiswerte und preisgebundene Wohnungen gebaut werden könnten, lieber teuer an Bauträger. „Das ist doch klar, daß dann hochpreisige Objekte draufgesetzt werden.“

Schlimmer, die Stadtpolitik weise auch zu wenig neue Flächen zur Bebauung aus. „Nachverdichtung wollen sie auch nicht so gern. Die Stadt legt mehr Wert auf Radabstellplätze.“ Allerdings sei in der Bauordnung immer noch vorgeschrieben, einen Autoabstellplatz in die Bauplanung mit einzubeziehen. „Einem meiner Kunden, der in Degerloch baute, sind allerdings zwei Autostellplätze erlassen worden“, so der Makler. „Da war der Verwaltung eine Grünfläche lieber.“ In deren Ermessen liegt allerdings auch, daß ein Bauherr umplanen mußte, weil die Grundflächenzahl (GRZ), also der Anteil der überbaut werden darf, um vier Quadratmeter Überhang hatte.

Wer eigene vier Wände sein eigen nennen möchte, sollte sich vorab darüber klar werden, was man will, was man sich leisten kann und wohin man ziehen will. Das heißt, die Gegenden zuvor mit dem Auto abfahren. Auf Internetportalen wird oft wenig Erstrebenswertes angeboten. Denn: Geheimtips gehen ohne veröffentlichtes Angebot innerhalb der Nachbarschaft, der Familie oder Freunde sozusagen unterm Ladentisch weg. „Ich habe im Bekanntenkreis einen Fall erlebt, daß es während der Trauerfeier an der Tür klingelte“, erzählt der Makler. „Der Nachbar war es. Er sagte, daß es ihm zwar sehr peinlich sei, aber er wolle doch fragen, ob er das Haus kaufen könne.“

Und wenn dann doch ein Schnäppchen im Internet zu finden ist? Dann heißt es schnell sein, es zählen Minuten. Täglich muß der Immobiliensuchende mindestens eine Stunde des Suchens auf den großen Internetportalen wie Immobilienscout, Immowelt, Vermietung online oder Ebay-Kleinanzeigen einkalkulieren. Wichtig sind die Internetauftritte der Makler. Ein potentieller Käufer, der seit zwei Jahren nach einem Haus sucht und ungenannt bleiben möchte, sagte gegenüber der jungen freiheit: „Oftmals hat man aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen Erscheinen der Anzeige und ihrer Löschung den Eindruck, daß da Häuser gekauft werden, die nicht vorher besichtigt werden. Ich vermute, daß da gezielt Investoren unterwegs sind.“ Längst ginge es nicht mehr nur darum, etwas Passendes zu finden, sondern auch darum, den Zuschlag zu bekommen. Zweimal sei es schon passiert, daß ihm „ein Haus vor der Nase weggeschnappt“ wurde.

Trendindikator für Baufinanzierung:  www.drklein.de