© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Der Flaneur
Mein Schrotti
Bernd Rademacher

Der Schrotthändler meines Vertrauens freut sich immer, wenn ich ihn mit „Ladscho Diewe“ begrüße. Aus der Sinti-Sprache ins Deutsche übersetzt heißt das „Guten Tag“. Heute habe ich alte Ölfässer für ihn und diverses Altmetall.

In den Ölfässern ist noch etwas Bodensatz, weil die Pumpe den letzten Zentimeter nicht schafft. Er versichert mit großer Geste: „Kein Problem, wird alles fachgerecht entsorgt.“ Wie die „fachgerechte Entsorgung“ aussieht, will ich lieber nicht so genau wissen.

Heute zeigt er mir seine neue Tätowierung. Das Bild ist sehr fein und kunstvoll gestochen. Es ist das Portrait eines älteren Mannes mit imposantem Schnäuzer. „Mein Vater, original vom Foto“, erklärt er.

Jetzt zum Geschäftlichen. Mit sorgenvoll gequälter Miene sagt er, er könne mir aber leider kein Geld zahlen. „Die Schrottpreise, ich wisse ja.“ „Nee, Sportsfreund, so nicht.“ Schließlich rückt er einen Zehner raus.

Sie habe Kontakt mit Kriminellen, und mit sowas möchte man nichts zu tun haben.

Da sehe ich auf seinem klapprigen Lkw einen Schatz: eine Gartenlaterne aus den fünfziger Jahren. Das Glas ist noch heil. Die stamme von einem alten Ausflugsrestaurant, das abgerissen wird, weil es einem Bauprojekt im Weg steht, wird mir erklärt. Das Lokal kenne ich, als Kind war ich da manchmal mit der Familie. Die Laterne wird sich gut auf meiner Terrasse machen. Für zehn Euro lädt er sie wieder ab – alter Fuchs. Aber so haben wir beide ein gutes Geschäft gemacht.

Ich spreche ihn auf ein Mädchen aus seiner Sippe an, das auf meiner Grundschule war und später Juristin geworden ist, aber angeblich mit der Familie gebrochen hat. Heikles Thema, merke ich. Er erklärt: „Die hat als Anwältin Kontakt mit lauter Kriminellen, und mit sowas wollen wir Sinti nichts zu tun haben.“ 

Wir rauchen noch eine zusammen. Zum Abschied nochmal „Ladscho Diewe.“ Der Wagen rollt mit den scheppernden Öltonnen vom Hof.